Eine Frau in der Demokratischen Republik Kongo. Dort ist als einziges Land die Fertilitätsrate höher als vor 50 Jahren.

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Berlin/Wien – Vor 50 Jahren hat eine Frau im weltweiten Durchschnitt fünf Kinder bekommen. Heute sind es mit zweieinhalb nur noch die Hälfte. Ausschlaggebend für diese Entwicklung seit den 1960er-Jahren ist unter anderem ein besserer Zugang von Frauen zu Sexualaufklärung und Verhütung. Das ging aus dem Weltbevölkerungsbericht 2018 des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) hervor, der am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde. Das einzige Land, das eine höhere Fertilitätsrate als vor 50 Jahren hat, ist die Demokratische Republik Kongo.

In Industrieländern bringt eine Frau heute im Durchschnitt 1,7 Kinder zur Welt (Österreich liegt bei 1,5) – häufig weniger als gewünscht. Dies könnte laut Bericht dazu führen, dass die Gesellschaft weiter altert und es in Zukunft schwierig werden könnte, Sozialversicherungssysteme zu finanzieren. Der sinkende Anteil junger Menschen, die ins Erwerbsleben eintreten, könnte zudem zu weniger Wirtschaftswachstum und abnehmender wirtschaftlicher Konkurrenzfähigkeit führen.

In den ärmsten Ländern der Welt hingegen bekommt eine Frau im Schnitt vier Kinder, und damit oftmals mehr als gewünscht.

Nach wie vor gibt es bei der Fertilität große Unterschiede zwischen verschiedenen Staaten einerseits und innerhalb einzelner Staaten andererseits. Das zeige, dass "dringend mehr getan" werden müsse, um die reproduktiven Rechte sowohl in Industrie- als auch in Entwicklungsländern zu verwirklichen, erklärte die UNFPA-Repräsentantin in Äthiopien, Bettina Maas, am Mittwoch.

Ungewollt schwanger

Von den 43 Ländern, in denen Frauen dem Bericht zufolge durchschnittlich mindestens vier Kinder bekommen, liegen 38 in Afrika. Fast 20 Millionen Schwangerschaften pro Jahr sind demnach in Afrika südlich der Sahara ungewollt. Das sind rund zwei Fünftel aller Schwangerschaften in der Region, heißt es in dem 92-seitigen Bericht mit dem Titel "Die Macht der freien Entscheidung – reproduktive Rechte und der demografische Wandel".

Die weiterhin hohe Fertilität in Afrika wird laut UNFPA durch zwei Faktoren aufrechterhalten: Einerseits ist der Kinderwunsch weiterhin ungebrochen, andererseits fehlen einfach die Mittel, um die Schwangerschaften einzuschränken, weil es "hohen ungedeckten" Bedarf an Verhütungsmitteln gibt. Diese Frauen bräuchten laut UNFPA verbesserte Angebote zu Aufklärung und Familienplanung. Außerdem müssten ihre gesellschaftliche Stellung gestärkt und ihre Gesundheitsversorgung deutlich verbessert werden.

Verweis auf Kolonialzeit

Die subsaharischen Länder betreffend verweist der Bericht auf die Kolonialzeit. Unter der Fremdherrschaft hätten Krankheiten, Konflikte und andere Faktoren zu einer hohen Sterblichkeitsrate geführt. Als Reaktion darauf bildete die Bevölkerung "Normen, Gepflogenheiten und soziale Strukturen", die der Geburt und dem Überleben von Kindern höchste Priorität einräumten.

Wegen dieser Umstände definierte sich die Stellung der Frau laut UNFPA vor allem durch ihre Reproduktionsfähigkeit sowie die Zahl und das Alter ihrer Kinder. Die Ehe war in erster Linie ein Vertrag zwischen Familien, nicht zwischen einzelnen Menschen. Polygamie, Kinderehen und Witwenvererbung wurden geduldet, um möglichst viele Kinder zu ermöglichen.

Diese Normen hätten sich trotz aller Entwicklungen seit der Kolonialzeit bis heute mehr oder weniger gehalten. (ksh, 17.10.2018)