Im August brach die Brücke ein, 43 Menschen kamen ums Leben.

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Zu wenig ist seit dem Brückeneinsturz in Genua passiert. Vor zwei Monaten brach die Autobahnbrücke Morandi in Genua zusammen. 43 Menschen kamen ums Leben. Hunderte Genovesen mussten ihre Wohnungen wegen Einsturzgefahr verlassen. Doch noch immer liegen im Flussbett des Polcevera die Trümmer des Bauwerks. Die Aufräumarbeiten haben erst vor kurzem begonnen. Reste der Brücke, zwei mächtige Betonstümpfe, ragen in den Himmel und hängen nach wie vor über den Wohnhäusern, Fabriken und Geschäften. Frühestens bis Ende 2018 sollen die Aufräumarbeiten beendet und bis Ende 2019 eine neue Brücke fertiggestellt sein.

Dies hat der neuernannte Sonderkommissar, Bürgermeister Marco Bucci, versprochen und bestätigt. "Ausländische Unternehmen mit Niederlassungen in Italien können sich mit italienischen Gruppen bewerben." Angeblich auch der Autobahnbetreiber Autostrade, dem ursprünglich die Konzession entzogen und jegliches Mitwirken am Wiederaufbau verboten werden sollte. "Meine Aufgabe ist es zu prüfen, ob es angemessene Angebote für den Wiederaufbau der Brücke gibt", sagte Bucci. Stararchitekt Renzo Piano, gebürtig aus Genua, hat bereits ein Projekt entworfen.

Blockierte Verbindungsstraßen

In Genua fehlt nicht nur die Brücke. Unter dem Viadukt führten wichtige Verbindungsstraßen entlang, die nun blockiert sind. Die Zufahrt zu großen Geschäften wie Metro, Ikea, Leroy Merlin ist nur auf kilometerlangen Umwegen möglich. Beim Obst-und Gemüsegroßmarkt werden die täglichen Umsatzeinbußen auf 30 bis zu 40 Prozent geschätzt. Andere Betriebe hat es noch schlimmer erwischt. Sie haben ihren Standort in der "zona rossa". Diese ist gesperrt. Der bisherige Schaden wird von den knapp 2000 betroffenen Unternehmen auf 400 Millionen Euro geschätzt.

"Zu wenig ist passiert. Statt sich sofort an die Arbeit zu machen, hat sich die Regierung in Rom mit dem Autobahnbetreiber Autostrade (Benetton) wegen des Schuldproblems gestritten. Uns Genovesen hat das nur am Rande interessiert. Wir wollten so schnell wie möglich den Wiederaufbau", kritisierte Angelo Parodi die Regierungspolitik. Er ist einer jener 550 Anrainer, die ihre Wohnungen innerhalb weniger Minuten nach dem Brückeneinsturz im August verlassen mussten und nur provisorische Unterkünfte fanden.

Weniger Touristen

Der Verwalter des Badestrands "le scogliere", Signor Eraldo, beklagt das inzwischen geschrumpfte Tourismusaufkommen. "Alle glauben, dass Genua von der Welt abgeschnitten ist." Die Brücke verband die Stadt mit dem Meer, dem Hafen. Der mit einem Güterumschlag von 69 Millionen Tonnen zweitgrößte Hafen des Landes, von dem direkt 28.000 und indirekt 122.000 Arbeitsplätze abhängen, hat seit dem Unglück 30 Prozent seines Umschlags verloren.

Das Aquarium am Hafen, einstige Attraktion für Touristen, zählt seit dem Brückeneinsturz 40 bis 50 Prozent weniger Besucher als im Vorjahr. Offensichtlich ist der Tourismus einer der großen Leidtragenden des Unglücks. Denn die Brücke hatte Genua auch mit Südfrankreich und den anliegenden Regionen Norditaliens, wie der Lombardei und dem Piemont, verbunden.

Genua droht dauerhaft schwerer wirtschaftlicher Schaden. Davon ist auch der Direktor des weltweit bekannten High Tech Institutes (IIT), Roberto Cingolani, überzeugt. Das flussaufwärts auf einem Hügel im Stadtteil Bolzaneto gelegene IIT gehört zu den Opfern. Denn derzeit kann die Anfahrt aus dem kaum zehn Kilometer entfernten Stadtzentrum bis zum IIT-Standort bis zu zwei Stunden dauern. Doch CEO Cingolani hat ehrgeizige Pläne für sein Institut. Die Zahl der bestehenden 19 Start-ups soll erweitert und zum Teil an die Börse gebracht werden. Ein Zwillingsinstitut, der Mailänder Human Tecnopol auf dem Gelände der Weltausstellung Expo, ist derzeit im Entstehen. Cingolani hofft, die Anzahl ausländischer Unternehmen, die in Italiens Forschung investieren, zu erhöhen. Dafür müssen aber erst die nötigen Verbindungsstraßen eröffnet werden. (Thesy Kness Bastaroli aus Genua, 18.10.2018)