Elektronen umkreisen einen Atomkern. Dabei hilft die Form der Elementarteilchen, die Gesetze des Kosmos zu erfassen.

Illustr.: Nicolle R. Fuller, National Science Foundation

Das Standardmodell der Elementarteilchenphysik ist jene Gesamttheorie, mit der Forscher versuchen, die Gesetze des Universums, dessen fundamentalen Kräfte und die darin enthaltenen Teilchen zu erklären. Das Modell ist gleichsam ein mathematisches Abbild der Realität – allerdings eines, in dem noch viele große Löcher klaffen. Eines der größten ist etwa die Lücke, in die in Zukunft vielleicht einmal auch die Gravitation hineinpasst, denn noch lässt sie sich nicht mit dem Standardmodell vereinbaren.

Jenen Teil des Kosmos allerdings, den das Standardmodell zu beschreiben versucht, erklärt es recht schlüssig: Bisher konnte noch kein Experiment signifikante Ergebnisse vorweisen, die den Vorhersagen dieser Theorie widersprechen würden. Ein Grund mehr für die Physiker, zufrieden zu sein, sollte man meinen. Tatsächlich aber ist es gerade die fehlende Widersprüchlichkeit, die die Köpfe der Theoretiker seit Jahrzehnten qualmen lässt.

Mangelhaftes Weltmodell

"Das Standardmodell, so wie es heute dasteht, hat vor allem einen großen Mangel: Es kann nicht erklären, warum die Materie im Kosmos überhaupt existiert", sagt Gerald Gabrielse von der Northwestern University. Eigentlich sollten sich nämlich nach diesem Modell Materie und Antimaterie bereits kurz nach dem Urknall gegenseitig ausgelöscht haben. Der Physiker und sein Team haben einen Großteil ihrer Karriere darauf verwendet, dieses Problem zu lösen. Letztlich blieb ihnen nur übrig, sich alternativen Theorien zuzuwenden.

Diese Thesen gehen von bisher unentdeckten subatomaren Teilchen aus, die unter anderem dazu beitragen würden, dass die Ladung von Elektronen nicht kugelförmig ist, sondern eine verzerrte Sphäre bildet. Könnte man diese verbeulte Elektronenform nachweisen, wäre dies gleichzeitig ein fundierter Beleg dafür, dass das Standardmodell doch nicht so stimmig ist wie gedacht.

Mit anderen Worten: Sollten diese beispielsweise von der Supersymmetrietheorie vorhergesagten massereichen Quantenpartikel tatsächlich existieren, dann könnten sie auch erklären, warum ein offensichtliches Ungleichgewicht zwischen Materie und Antimaterie herrscht, das letztlich dafür sorgt, dass sich die Materie unseres Universums nicht längst in Energie aufgelöst hat.

Absage an Alternativen

"Annähernd alle alternativen Modelle sagen voraus, dass die Ladungssphäre von Elektronen eigentlich verzerrt sein sollte", meint Gabrielse. "Unser Ziel war es daher, diese Eigenschaften von Elektronen mit einer Präzision zu analysieren, die bisher noch nie erreicht wurde." Das ist dem Team um Gerald Gabrielse nun tatsächlich gelungen: Die Forscher stellten im Rahmen des Advanced-Cold-Molecule-Electron-Experiments jedoch fest, dass Elektronen eindeutig eine perfekte Kugel besitzen. Die nun im Fachjournal "Nature" präsentierten Resultate bedeuten damit auch, dass die hypothetischen Partikel zumindest in der angenommenen Form nicht existieren.

"Unsere Daten lassen also keinen Zweifel daran, dass man die alternativen Modelle zur Erklärung des Kosmos offenbar ernsthaft infrage stellen muss", sagt Gabrielse. Und – noch wichtiger – sie bestätigen einmal mehr, dass das etablierte Standardmodell, so lückenhaft es auch sein mag, weiterhin die plausibelste Theorie zur Erklärung des Universums ist, auch wenn damit die Frage nach dem Ungleichgewicht zwischen Materie und Antimaterie weiterhin ungeklärt bleibt. (tberg, 18.10.2018)