In den nächsten zehn Jahren könnten 40 Prozent (für komplizierte Kleidung) bis 70 Prozent (für simple Stücke) der Arbeitszeit durch Automatisierung eingespart werden, sind die Berater überzeugt.

Foto: STR / AFP

Düsseldorf – Die niedrigeren Löhne machten China und Südostasien konkurrenzlos für die Modeproduktion, doch nun beginnt sich das Blatt zu wenden, heißt es beim Berater McKinsey. Eine Jeans, die in der Türkei produziert wird, koste heute drei Prozent weniger als in China, zähle man Fertigungs-, Transport- und Einfuhrkosten zusammen. Ähnliches gelte für den nordamerikanischen Markt. Eine Jeans aus Mexiko habe sogar um zwölf Prozent niedrigere Gesamtkosten.

"Für einzelne Kleidungsstücke mit wenig aufwendiger Produktion lohnt sich jetzt schon die Rückverlagerung der Fertigung nach Europa bzw. Nordamerika. Aber der Hauptgrund für das sogenannte Nearshoring ist die extreme Verkürzung der Lieferzeiten, die es Modeunternehmen ermöglicht, viel schneller auf Trends zu reagieren und Kollektionen agil anzupassen", so Karl-Hendrik Magnus, Partner und Experte für die Modebranche bei McKinsey. Ein Kleidungsstück aus Südostasien ist bis zu 30 Tage mit dem Schiff unterwegs in westliche Märkte – der Transport aus der Türkei nach Deutschland dauert hingegen nur drei bis sechs Tage. Den Weg von Mexiko in die USA finden die Stücke sogar in nur zwei Tagen.

Keine Zeit zu warten

Die Zeiten, in denen Konsumenten ein halbes Jahr auf angesagte Kleidungsstücke warten würden, seien längst vorbei, heißt es. Heute bräuchten Modeunternehmen agile Strukturen, um Trends, die bei Instagram entstehen, nicht zu verpassen, und Warenüberhänge zu vermeiden", so Achim Berg, Leiter der Modeindustrieberatung bei McKinsey. Ein weiterer Vorteil von Nearshoring: Mehr Mode kann zum vollen Preis ohne Rabattaktionen verkauft werden, da trendige Stücke schneller verfügbar sind. Der Anteil der Ware, der zum vollen Preis an die Kunden geht, erhöht sich dadurch um fünf Prozentpunkte. Mehr als drei Viertel der befragten Experten glauben, dass ein Umschwung zum Nearshoring wegen kürzerer Lieferzeiten bis 2025 wahrscheinlich ist.

Ein weiterer Schub gehe von der Automatisierung aus. In den nächsten zehn Jahren könnten 40 Prozent (für komplizierte Kleidung) bis 70 Prozent (für simple Stücke) der Arbeitszeit durch Automatisierung eingespart werden und damit auch ein bedeutender Teil der Kosten. Das Herstellen einer einfachen Jeans könnte statt derzeit 36 Minuten nur noch elf Minuten dauern. Außerdem ermögliche Nearshoring mehr On-Demand-Produktion, was weniger Bekleidungsmüll zur Folge habe, sagt Saskia Hedrich, Mitautorin des Berichts. Eine Entwicklung, die auch den Konsumenten gefallen könnte: Mehr als zwei Drittel der befragten Industrieexperten glauben, dass 2025 Nachhaltigkeit ein Hauptgrund für Modekunden sein wird, ein Produkt zu kaufen. (red, 18.10.2018)