Die als Nebenwirkungen angeführten Symptome müssen nicht kausal mit der Einnahme eines Medikaments in Zusammenhang stehen. Sie können auch alltägliche und von der Einnahme unabhängige Symptome sein, sagt die Gesundheitswissenschafterin Viktoria Mühlbauer.

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Wer Medikamente schluckt, sollte vorher den Beipackzettel lesen. Er enthält wichtige Informationen über die richtige Einnahme und mögliche Nebenwirkungen. Allerdings können viele Patienten diese Informationen nicht richtig einschätzen, weil vergleichende Angaben dazu fehlen, wie häufig unerwünschte Symptome, die als Nebenwirkungen aufgeführt werden, mit und ohne Arzneimitteleinnahme auftreten. Aktuell seien solche vergleichenden Angaben aber weder auf Beipackzetteln in Deutschland noch in anderen europäischen Ländern zu finden, wie Wissenschafter des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in einer aktuellen Studie kritisieren.

"Den wenigsten Menschen ist bekannt, dass kein ursächlicher Zusammenhang zwischen den als Nebenwirkungen gelisteten Symptomen und der Arzneimitteleinnahme bestehen muss. Eine frühere Studie zeigte, dass selbst Ärzte und Apotheker irrtümlicherweise denken, dass die gelisteten Nebenwirkungen in der genannten Häufigkeit durch das jeweilige Arzneimittel verursacht werden", sagt Erstautorin Viktoria Mühlbauer.

Richtig Interpretieren lernen

Ziel der Studie war es, zu untersuchen, ob alternative Beipackzettel mit ergänzten Vergleichsinformationen die Häufigkeit von Fehlinterpretationen verringern. Konkret wurde 397 Probanden jeweils einer von vier Beipackzetteln vorgelegt. Alle Beipackzettel listeten dieselben vier Symptome bzw. Nebenwirkungen auf. Bei drei der vier Beipackzettel handelte es sich um alternative Versionen, welche die entsprechende Häufigkeit der Symptome sowohl mit als auch ohne Medikament aufführten und zusätzlich Erklärungen zur Kausalität zwischen dem Auftreten der Symptome und der Medikamenteneinnahme lieferten. Der vierte genutzte Beipackzettel in der Studie entsprach dem gegenwärtig verwendeten Standardbeipackzettel. Dieser stellte ausschließlich Informationen zur Häufigkeit der Symptome unter Medikamenteneinnahme dar.

Bei der anschließenden Befragung zeigte sich, dass sich fehlerhafte Interpretationen durch die Zusatzinformationen auf den alternativen Beipackzetteln verringern lassen. Während nur zwei bis drei Prozent der Probanden, denen der Standardbeipackzettel vorgelegt wurde, die Fragen zu kausalen Häufigkeiten korrekt beantworten konnten, waren es bei den alternativen Formaten zwischen 55 und 82 Prozent.

"Dass nach wie vor Informationsformate in unserem Gesundheitssystem genutzt werden, die Patienten und praktizierende Ärzte verwirren, ist ein Gesamtproblem, das die Patienten- und Arzneimittelsicherheit gefährdet", sagt Ko-Autorin Odette Wegwarth. Es gäbe mittlerweile eine fundierte Studienlage dazu, welche Informationsformate Patienten und Ärzte im Verständnis von Nutzen und Schaden medizinischer Interventionen unterstützen und welche nicht, so das Fazit der Forscher. (red, 18.10.2018)