Rapper T-Ser: "Unser Ziel ist es nicht zu hetzen. Wir würden uns sogar mit Polizisten treffen, um über das Problem zu reden."

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Am Sonntag kam es im Josef-Strauß-Park im siebenten Bezirk zu umstrittenen Amtshandlungen der Wiener Polizei: Der Rapper T-Ser und Labelkollegen von Akashic Records, darunter Sidney und Meydo, hatten sich zu einem Arbeitstreffen im Park getroffen – und wurden von Beamten kontrolliert. Laut Polizeisprecherin Irina Steirer handelte es sich dabei um eine reguläre Schwerpunktkontrolle, da es in dem Park öfter zu Strafhandlungen komme. T-Ser und seine Kollegen, die das Geschehen mitfilmten, sehen darin einen klaren Fall von Racial Profiling: Die Identitätsfeststellung sei bei ihnen – und nur ihnen – vorgenommen worden, weil sie die einzige Gruppe von Schwarzen im Park gewesen seien.

Laut Polizei hatten die jungen Männer die bereits im Weggehen befindlichen Beamten beschimpft, woraufhin Unterstützung angefordert wurde. Fünf Streifenwagen waren schlussendlich im Einsatz, die Musiker wurden – so zeigen es die mittlerweile viral verbreiteten Videos – barsch aus dem Park eskortiert. Es kam zu mehreren Anzeigen.

T-Ser und seine Kollegen bestreiten, die Beamten beschimpft zu haben, während die Polizei den Rassismus- beziehungsweise Racial-Profiling-Vorwurf zurückweist. Eine interne Prüfung des Verhaltens der Beamten sei aber eingeleitet worden. Für T-Ser und seine Kollegen sind solche Vorkommnisse allerdings kein Einzelfall, wie sie erzählen.

STANDARD: Würden Sie die Polizei rufen, wenn Sie Hilfe bräuchten?

Sidney: Kommt auf die Situation an, aber eher nicht. Am Sonntag im Park konnten wir ja zum Beispiel schwer die Polizei rufen. (lacht)

T-Ser: Man wird dann selbst oft zum Verdächtigen.

STANDARD: Die Polizei weist den Vorwurf rassistisch motivierten Verhaltens zurück. Es heißt, Sie hätten sich aggressiv verhalten und die Beamten beschimpft.

T-Ser: Man kann unseren Videos entnehmen, dass das angebliche "Fickt euch" ein "Schämt euch" war, wozu wir auch stehen. Wir waren zu keinem Zeitpunkt aggressiv. Wir haben lediglich unsere Meinung geäußert.

STANDARD: Man kann argumentieren, dass die Videos nur einen Ausschnitt des Geschehenen zeigen. Es wird ja immer wieder der Einsatz von Bodycams seitens der Polizei gefordert. Würde sich das Ihrer Meinung nach deeskalierend auf solche Situationen auswirken?

T-Ser: Nein, man sieht ja in Amerika, dass Menschen umgebracht werden, auch wenn Bodycams im Einsatz sind, und dass das keine Konsequenzen hat. Ich denke, das Problem liegt in der Institution selbst. Hier müssten Fehler erst einmal eingestanden werden – dann müssten die Beamten in Schulungen trainiert und sensibilisiert werden.

STANDARD: Gerade in sozialen Medien gibt es einige Kommentatoren, die behaupten, sie könnten auf den Videos keinen rassistischen Hintergrund der Kontrolle erkennen.

T-Ser: Die Leute, die das behaupten, sind größtenteils weiße Männer, die so etwas in ihrem Leben nicht erfahren haben.

Sidney: Sie kennen diese Realität nicht und können sich nicht vorstellen, dass so etwas möglich ist.

T-Ser: Für sie sieht das nach einer normalen Polizeikontrolle aus. Unser Punkt ist, dass das Problem viel tiefer liegt. Natürlich kann es jedem passieren, dass man mal von der Polizei aufgehalten wird, aber wenn einem das 25-, 30-mal in 25 Jahren passiert, stimmt irgendetwas nicht.

Rapper Sidney: "Wer behauptet, dass das am Sonntag eine normale Polizeikontrolle war, kennt unsere Realität nicht."
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STANDARD: Welche Erfahrungen haben Sie bereits gemacht, die Sie als Racial oder Ethnic Profiling definieren würden?

T-Ser: Nur ein Beispiel: Ich bin bei der U-Bahn-Station Josefstädter Straße die Treppe runtergekommen, wo eine Gruppe von fünf bis sechs Polizisten stand. Ich wollte vorbeigehen, doch sie wollten meinen Ausweis sehen. Während ich diesen gesucht habe, hat der Polizist, der gerade mit mir geredet hat, den nächsten Schwarzen, der die Treppe runterkam, rausgefischt. Da habe ich ihm natürlich gesagt, dass das offensichtlich rassistisch ist. Da wurde ich gleich in ein Hinterzimmer mitgenommen und sollte meine Sachen auspacken. Das wollte ich aus Prinzip nicht. Dann wurde ich zur Polizeiwache mitgenommen, meine Sachen wurden durchsucht, ein Beamter hat an meinem Schuh gerochen! Es war absurd. Ich habe mich an einen Tisch gelehnt, worauf einer meinte, ich solle mich mit meinem dreckigen Arsch nicht auf ihren Tisch setzen. Sie sagten, ich sei selber schuld, wenn ich an der Josefstädter Straße herumlungere. Sie fragten, wieso ich dort Gift verkaufen würde. Dabei hatten sie mich ja bereits durchsucht und nichts gefunden. Ich habe ihnen natürlich auch meine Meinung gesagt. Aber auch da habe ich niemanden beleidigt und trotzdem Anzeigen bekommen, die aber fallengelassen wurden.

STANDARD: Haben Sie das Gefühl, so etwas passiert häufiger, wenn Sie in Gruppen unterwegs sind?

T-Ser: Besonders in Gruppen. Wenn wir in der Gruppe sind, zum Beispiel bei Videodrehs draußen, kommen sie sofort.

Meydo: Und genau das ist Racial Profiling. Nur weil ein paar schwarze Jungs, Freunde, sich treffen, wird das als Gefahr wahrgenommen ...

Sidney: ... da wird auch sofort von Anrainern die Polizei gerufen.

T-Ser – "F.D.F."
Akashic Recordz

STANDARD: Sie haben nach dem Vorfall im Park einen Track namens F.D.F. – Fick die Feds veröffentlicht und wurden kritisiert, die Geschehnisse für die Promotion Ihrer Musik zu verwenden.

T-Ser: Wir könnten versuchen, gegen das Ganze juristisch vorzugehen, aber das würde im Sand verlaufen. Deswegen wollen wir lieber direkten Kontakt zur Öffentlichkeit, zur Gesellschaft herstellen. Der Hauptgrund, warum wir das machen, ist, auf Probleme hinzuweisen. Wir wollen, dass Leute darüber reden. Sicher, jeder will Geld verdienen, berühmt werden, was auch immer. Aber hier geht es um Menschenwürde, darum, dass wir in Frieden leben können. In diesem Sinne nutzen wir das für unsere Promo, zu Recht, denke ich.

STANDARD: Wie steht es hier um Ihre Verantwortung, wenn Sie quasi "Fick die Polizei" propagieren?

T-Ser: Meine Musik reflektiert die Meinung einer Community, die von der Polizei unterdrückt wird. Klar haben wir eine Verantwortung, aber jeder, der sich ein bisschen mit dem beschäftigt, was wir von uns geben, sollte merken, dass es nicht unser Ziel ist zu hetzen. Wir suchen einen Dialog. Wir würden uns ja sogar mit Polizisten treffen, um über das Problem zu reden.

Rapper Meydo: "Nur weil sich ein paar schwarze Freunde sich treffen, wird das als Gefahr wahrgenommen."
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STANDARD: Denken Sie, dass es mehr Bewusstsein für die Problematik in der Gesellschaft gibt, sich Leute mehr solidarisieren als früher?

T-Ser: Ich kann nicht abschätzen, ob die Gesellschaft solidarischer ist als vor zehn Jahren. Aber für die Solidarität, die wir gerade erleben, sind wir dankbar. Sie ist ein großer Hoffnungsschimmer! Ich vertraue tausendmal mehr in unsere Gesellschaft als in unsere Politik und Exekutive.

STANDARD: Sie haben unter dem Hashtag #nichtmituns auch andere aufgefordert, ihre Erfahrungen mit Racial Profiling und Rassismus zu schildern.

Sidney: Ja. Es hat sich sogar ein türkischer Polizist gemeldet, der die ersten zwei Jahre im Dienst selber wie ein Außenseiter behandelt wurde. Er sagt, dass er jeden Tag selbst mitbekommen hat, wie seine Kollegen Ausländer schikanierten. Er hat uns gebeten, das anonymisiert zu veröffentlichen, sonst müsse er wieder zum AMS. (Amira Ben Saoud, 18.10.2018)