Knochen werden porös, das wiederum erhöht die Gefahr, dass sie brechen.

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Rund 370.000 Frauen und etwa 90.000 Männer leiden in Österreich an krankhaftem Knochenschwund. Die Osteoporose wird nur in rund 20 Prozent der Fälle diagnostiziert. Selbst nach einem ersten Knochenbruch erhalten nur etwa 22 Prozent der Betroffenen eine Therapie.

"Die Osteoporose ist die teuerste Erkrankung. Sie ist auch die am meisten unterbehandelte Erkrankung. Dabei sterben 20 Prozent der Patienten nach einer Hüftfraktur innerhalb eines Jahres. 27 Prozent müssen nach einer Fraktur im Pflegeheim betreut werden, 40 Prozent der Betroffenen können nicht mehr selbstständig gehen, und 80 Prozent haben Schwierigkeiten bei Alltagstätigkeiten", sagt Astrid Fahrleitner-Pammer von der Klinischen Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie der Med-Uni Graz.

Wo Knochen brechen

Mit rund 16.000 Fällen von Oberschenkelhalsbrüchen schneidet Österreich bei der Häufigkeit dieser Verletzungen im internationalen Vergleich sehr schlecht ab. Die Kosten durch Osteoporose werden in Österreich auf 707 Millionen Euro pro Jahr geschätzt. Kosten von 182 Millionen Euro entstehen allein durch die Spitalsaufenthalte.

Frauen nach der Menopause sind am meisten gefährdet. Bei Männern ist der Knochenabbau im Vergleich zu den Frauen um etwa eine Dekade ins höhere Alter verschoben. Alterungsprozesse, Kalzium- und/oder Vitamin-D-Mangel, zu wenig Bewegung und Rauchen sowie rheumatische Arthritis, Schilddrüsenerkrankungen, Diabetes, Asthma, Herzinsuffizienz und andere chronische Krankheiten begünstigen den Knochenabbau. Wirbelkörpereinbrüche, Unterarm- und Oberschenkelhalsbrüche sind die gefürchteten Folgen.

Diagnose und Therapie

Ein Problem liegt in der Diagnostik: Die alleinige Knochendichtemessung per Röntgenuntersuchung gibt Hinweise auf ein mögliches Risiko, für die Entscheidung zu einer Therapie reicht sie aber nicht aus. "Risikorechner", die neben der Knochendichte noch mehrere andere Faktoren einbeziehen, führen zu einer genaueren Prognose. "Ziel der Diagnostik ist es, jene Frauen und Männer zu erfassen, bei denen einen hohes Frakturrisiko vorliegt und die behandelt werden sollten", sagt Christian Muschitz, Osteoporoseexperte am Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Wien. "Schon die erste Fraktur sollte verhindert werden und die Behandlung langfristig erfolgen, weil es sich bei Osteoporose um eine chronische Erkrankung handelt."

Vor allem sogenannte Bisphosphonate zur Hemmung des Knochenabbaus werden seit Jahren erfolgreich in der Therapie eingesetzt. Vor einigen Jahren wurde mit dem monoklonalen Antikörper Denosumab, der ebenfalls den Knochenabbau bremst, eine neues Wirkprinzip in die Therapie eingeführt. Ein Parathormon-Präparat fördert den Knochenaufbau. Kommendes Jahr könnte in der EU mit einem Medikament mit monoklonalen Antikörpern, die das Protein Sclerostin hemmen, ein neues Wirkprinzip zum vermehrten Knochenaufbau für manche Patienten zur Verfügung stehen.

Das Wiener Biotech-Unternehmen Tamirna will mit einem Bluttest auf bestimmte Muster in der Konzentration von kleinen Ribonukleinsäure-Molekülen die Genauigkeit der vorhandenen Vorhersagemethoden für das Osteoporose- beziehungsweise Frakturrisiko von 65 auf 80 Prozent erhöhen. Nach entsprechenden Studien könnte der Test in den kommenden Jahren auf den Markt kommen, sagt Matthias Hackl, Geschäftsführer des Unternehmens.

Risikogruppe Brustkrebspatientinnen

Wie die Austrian Breast & Colorectal Cancer Study Group (ABCSG) in einer Untersuchung mit 3.425 Patientinnen mit Hormonrezeptor-positivem Brustkrebs zeigen konnte, hat die aktuelle Standardtherapie für postmenopausale Frauen, die mit Aromatasehemmern (AI) behandelt werden, auch negative Auswirkungen auf die Knochendichte. Konkret: Diese Brustkrebspatientinnen haben ein deutlich erhöhtes Osteoporoserisiko.

Nachdem die Daten von ABCSG 18 bereits 2015 belegen konnten, dass das Osteoporosemedikament Denosumab 50 Prozent der klinischen Knochenfrakturen, die unter antihormoneller Therapie entstehen, verhindern kann, und die im Juni 2018 präsentierten Sechsjahresdaten zeigten, dass darüber hinaus das Brustkrebsrückfallrisiko um 18 Prozent verringert wird, gibt es nun Hinweise darauf, dass der Zeitpunkt des Therapieendes von Denosumab erheblichen Einfluss auf die Knochengesundheit haben könnte. "Wir wissen definitiv, dass Aromatasehemmer das Frakturrisiko erhöhen, und wir wissen auch, dass Denosumab mit relativ wenig Aufwand und kaum Nebenwirkungen dieses Risiko halbieren kann und außerdem das krankheitsfreie Überleben verlängert", sagt Georg Pfeiler, Gynäkologe am Wiener AKH und Mitglied der ABCSG-Studiengruppe. "Was uns jetzt beschäftigt, ist der Hinweis, dass es nach dem Ende einer Therapie mit Denosumab zu einer Überaktivierung der Osteoklasten (knochenabbauende Zellen) kommen kann, was mit einem Verlust an Knochendichte und möglicherweise erhöhtem Knochenbruchrisiko einhergeht."

Medikamente kombinieren

Der Verlust an Knochendichte nach Absetzen von Denosumab könnte das Frakturrisiko erhöhen. Fallberichte zeigen, dass vor allem Wirbelkörperbrüche (vertebrale Frakturen) nach Absetzen von Denosumab auftreten könnten. In ABCSG 18 wurde die Frakturrate sechs Monate nach der letzten Denosumab- beziehungsweise Placebo-Gabe untersucht, und es zeigte sich, dass es in dieser prospektiven Studie keinen Unterschied zwischen den beiden Studienarmen gibt, wenn man sich die Zahl aller Frakturen ansieht. Allerdings treten bei den Patientinnen, die Denosumab erhielten, nach dem Absetzen des Wirkstoffs vermehrt – teilweise mehrfache – Wirbelkörperfrakturen auf.

Das Ergebnis

Das generelle und das vertebrale Frakturrisiko wurde innerhalb der ABCSG-18-Studie genau beobachtet, um aussagekräftige Daten zu erlangen. Drei Patientinnengruppen wurden dafür definiert: Patientinnen, die ihre AI-Therapie später als sechs Monate nach der letzten Denosumab-/Placebo-Gabe beendet haben, Patientinnen, die ihre Aromatasehemmer-Therapie vor der letzten Denosumab-/Placebo-Gabe beendet haben, und Patientinnen, die sie innerhalb von sechs Monaten nach der letzten Denosumab-/Placebo-Gabe beendet haben.

Eine deutliche Zunahme an klinischen vertebralen und multiplen vertebralen Frakturen gab es bei Patientinnen, die mit Denosumab deutlich vor Ende der Aromatasehemmer-Therapie oder nach deren Ende aufhörten, nicht aber bei jenen, die die Aromatasehemmer- und Denosumabtherapie gleichzeitig beendeten. "Anhand dieser Daten gehen wir davon aus, dass Denosumab am besten gemeinsam mit der Aromatasehemmer-Therapie beendet werden sollte", bewertet Pfeiler die neuesten Ergebnisse. (red, 20.10.2018)