Für Adi Hütter könnte es kaum besser laufen. Mit Frankfurt ist der ehemalige Salzburg-Coach derzeit Siebenter in der deutschen Bundesliga. Am Freitag empfängt die Eintracht Aufsteiger Fortuna Düsseldorf.

Foto: imago/Eibner

Hoffenheims Wunderwuzzi Julian Nagelsmann musste sich Adi Hütter schon geschlagen geben.

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STANDARD: Zu Saisonbeginn wurden Sie in manchen Medien als Rauswurfkandidat Nummer eins in der deutschen Bundesliga gehandelt. Nach sieben Spielen ist Eintracht Frankfurt Tabellensiebenter, schoss Lazio Rom in der Europa League vom Platz. Ist der jetzige Erfolgslauf eine Genugtuung für Sie?

Adi Hütter: Wenn man sich diese Listen anschaut und seinen Namen ganz oben findet, ist das unangenehm. Es ist ein Ziel, das ich nicht erreichen möchte, aber solche Rankings sind mir relativ egal. Das sind subjektive Wahrnehmungen, Spielereien von Buchmachern. Es ist uns gelungen, gegenzusteuern.

STANDARD: Der Saisonbeginn war schwach mit nur vier Punkten aus fünf Spielen und dem Pokal-Aus in der ersten Runde. Hat es diese Eingewöhnungsphase gebraucht, um in den Erfolg in einem neuen Umfeld hineinzufinden?

Hütter: Auf jeden Fall. Es war den Verantwortlichen im Verein von Anfang an klar, dass es eine schwierige Saison werden könnte. Wir hatten Abgänge von Schlüsselspielern zu verkraften, Hradecky im Tor, Kevin-Prince Boateng als Leader, einige Teamspieler stießen nach der WM erst spät zur Mannschaft. Die Vorbereitung war nicht ideal, das haben wir gewusst. Mit der englischen Woche und drei Siegen in drei Spielen haben wir Gegenwind in Rückenwind verwandelt und unsere Qualität auf den Platz gebracht.

STANDARD: Ralph Hasenhüttl und Peter Stöger haben mit Leipzig, Köln und Dortmund Erfolge in der deutschen Liga gefeiert. Wie sehen Sie das Standing österreichischer Trainer in der Bundesliga?

Hütter: Stöger und Hasenhüttl haben für den österreichischen Fußball viel geleistet, sind aber einen anderen Weg gegangen als ich, haben sich von der zweiten deutschen Liga hochgedient. Ich bin direkt aus der Schweiz in die Bundesliga gekommen, eine neue Situation für mich. Natürlich bin ich stolz, als einziger Österreicher in der Bundesliga zu arbeiten. Daran kann ich aber nicht täglich denken. Am Ende ist die Nationalität nicht entscheidend. Ich muss schauen, dass wir Spiele gewinnen.

STANDARD: Sie haben eine Systemumstellung von 4-2-3-1 auf eine 3-5-2-Formation vorgenommen. Seitdem eilt die Eintracht von Sieg zu Sieg. Geben Sie als Trainer Fehler zu?

Hütter: Beim Liga-Auftakt haben wir gegen Freiburg mit einer Viererkette zu null gewonnen, im Cup gegen Ulm mit einer Dreierkette verloren. Ich möchte variabel spielen, unausrechenbar sein. Systemwechsel würde ich deshalb nie als Fehler zugeben, weil es keine sind. In der Liga sieht man in manchen Spielen mehrere Systeme in 90 Minuten. Wenn es gelingt, wird der Trainer gelobt, und wenn nicht? Das ist mir zu sehr Schwarz-weiß-Denken, damit kann ich nichts anfangen.

STANDARD: Welchen Fußball wollen Sie spielen lassen?

Hütter: Für meine Vision braucht es Zeit und Geduld. Du kannst deine Idee nicht zu hundert Prozent durchdrücken, wenn du damit kein Spiel gewinnst. Da gehe ich mit der Mannschaft lieber einen Schritt zurück, um dann zwei nach vorne zu machen. Auch Zwischenschritte können Erfolg bringen. Meine Mannschaft soll mit Leidenschaft spielen und das Publikum unterhalten.

STANDARD: "Wir sind eine pflegeleichte Mannschaft, kommen mit jedem Trainer zurecht", sagt Eintrachts stellvertretender Kapitän Marco Russ. Was hat das Team für einen Charakter?

Hütter: Die Mannschaft hat einen tollen Charakter. Es treffen unheimlich viele Nationalitäten aufeinander. Ich finde das hochinteressant, hatte schon in Bern mit Spielern aus einem Dutzend verschiedener Herkunftsländer zu tun. Ich habe bei kaum einem Spieler das Gefühl, dass er sich nicht in den Dienst der Sache stellt.

STANDARD: Apropos Young Boys Bern. Noch besser läuft es für Ihren Ex-Klub, der mit elf Punkten Vorsprung auf den FC Basel Tabellenführer in der Schweiz ist. Ein nachhaltiger Erfolg, der auch Adi Hütter zu verdanken ist?

Hütter: In Bern wurde eine Siegermentalität etabliert, an die manche Leute gar nicht mehr geglaubt haben. Auch ich habe als Trainer und Mensch meinen Anteil daran, diese Mentalität im Klub verankert zu haben. Die Wachablöse in der Schweiz hat stattgefunden. Das System passt, mein Nachfolger Gerardo Seoane führt den Erfolg fort, verfolgt die gleiche Spielanlage wie ich. Das macht mich schon stolz.

STANDARD: Die Eintracht liegt nach sieben Spielen auf Platz sieben. Eine Zwischenbilanz, die man sich im Verein so zugetraut hat?

Hütter: Die Euphorie ist im Umfeld zuletzt gestiegen. Die Vereinsverantwortlichen schätzen die Dinge aber realistisch ein. Wir wollen mit dem Abstiegskampf nichts zu tun haben, in der Europa League weiterkommen. Platz sieben ist nur eine Momentaufnahme. Wir haben bereits gegen die besten vier Teams in der Liga gespielt, das heißt aber nicht, dass die kommenden Gegner einfacher werden. Nach elf, zwölf Spielen werden wir sehen, in welche Richtung es geht.

STANDARD: Sie haben als Spieler eine Geschichte mit Frankfurt. Im Uefa-Cup warfen Sie die Eintracht mit Austria Salzburg im Viertelfinale 1994 aus dem Bewerb, erzielten im Hinspiel das Tor zum 1:0-Sieg, im Rückspiel trafen Sie im Elferschießen. Spricht man Sie in Frankfurt auf diese Schmach an?

Hütter: Sicher, ich wurde sogar im Vorstand darauf angesprochen. Das hat vielen Menschen in Frankfurt natürlich wehgetan, für mich ist es eine tolle Erinnerung. Sehr schön war, dass mich der damalige Teamchef Herbert Prohaska nach dem Spiel erstmals in den ÖFB-Kader einberufen hat. Dass ich jetzt hier als Trainer arbeiten darf, rundet die Geschichte ab.

STANDARD: Sie gelten als sehr ehrgeiziger Trainer, eine 40-Stunden-Arbeitswoche geht sich bei Ihnen nicht aus. Sind Sie ein Workaholic?

Hütter: Nein. Ich habe eine Verantwortung als Trainer, man kann es aber auch übertreiben. Es geht um die Effizienz beim Arbeiten, egal ob es manchmal zwölf oder acht Stunden sind. Mit ein bisschen Trainersein funktioniert es aber nicht, und das passt auch gar nicht zu mir.

STANDARD: Wo laden Sie Ihre Batterien wieder auf?

Hütter: In der Länderspielpause war ich zwei Tage bei der Familie in Salzburg zu Hause, das hat mir gutgetan. Viel Freizeit bleibt nicht. Am Abend höre ich gerne entspannende Musik, telefoniere mit Bekannten oder gehe auch mal gut essen. Das genügt mir vorerst.

STANDARD: Der Fußball ist Show, Entertainment. Trainer stehen immer mehr unter Druck, werden mittlerweile nach drei oder vier Niederlagen hintereinander entlassen – eine bedenkliche Entwicklung?

Hütter: Darauf stellt man sich ein, wenn man Trainer wird. Es ist part of the game. Ich versuche, attraktiven Fußball spielen zu lassen. Vor zwei Monaten war ich in den Medien ein schlechter Trainer. Jetzt bin ich ein guter Trainer? Solche Diskussionen bedürfen keines Kommentars. (Florian Vetter, 18.10.2018)