Im südindischen Bundesstaat Kerala wird ein Mann von Polizisten abgeführt, der versucht hat, Frauen am Einlass in den Sabarimala-Tempel zu hindern. Auf beiden Seiten waren Verletzte zu beklagen.

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Ein Tempelbesuch gehört in Südindien für viele Menschen zum Alltag. Besonders an Fest- und Feiertagen ist er aus dem Leben der meisten Familien nicht wegzudenken. Umso schockierender sind die Szenen, die sich derzeit vor Beginn des Dashahara-Festes an einem der wichtigsten Tempel im Bundesstaat Kerala abspielen. Am Mittwoch kam es vor dem Sabarimala-Tempel in dem bei Touristen beliebten "Periyar Nationalpark" zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizei.

Drei Polizisten und fünf Demonstranten wurden verletzt, als die Polizei mit Schlagstöcken Straßenblockaden auflöste, mit denen man Frauen daran hindern wollte, den Tempel zu betreten. Am Donnerstag verhängte die Landesregierung ein Versammlungsverbot an allen Orten, an denen sich traditionell Pilger auf dem Weg zu dem der Gottheit Ayyappa gewidmeten Tempel treffen. Die Pilgerreise zum Sabarimala-Tempel ist eine der zahlenmäßig größten weltweit, jährlich nehmen rund 50 Millionen Gläubige daran teil.

Auslöser für die Ausschreitungen ist die Politisierung eines Gerichtsurteils, das einen seit vielen Jahren schwelenden Streit lösen sollte. Im August hatte das Oberste Gericht entschieden, dass Frauen jedes Alters in Zukunft den Sabarimala-Tempel betreten dürfen. Es hob damit ein Urteil des höchsten Gerichts von Kerala auf, das zuvor eine Regelung des lokalen Tempelkomitees von 1965 bestätigt hatte, wonach Frauen im "menstruationsfähigen Alter" von zehn bis 50 Jahren dem heiligen Ort fernbleiben müssen.

Gesellschaftlicher Wandel

Der Streit ist Ausdruck eines gesellschaftlichen Wandels in Indien sowie einer zunehmenden Politisierung von Religion unter der Hindu-nationalistischen Regierung von Premierminister Narendra Modi. Das Oberste Gericht und die "Vereinigung junger Anwälte", die dieses angerufen hatte, berufen sich auf das Gleichheitsgebot der Verfassung und betrachten die Tradition als Diskriminierung von Frauen und halten sie deshalb für verfassungswidrig. Hindu-Gelehrte sind hingegen der Meinung, dass die Energie des Tempels Frauen im gebärfähigen Alter nicht zuträglich sei. Dass dies für Juristen in einem säkularen Staat keine überzeugende Begründung ist, ist verständlich.

Zudem sind viele junge Menschen auf dem Subkontinent kaum vertraut mit theologischen Details und empfinden ein solches Verbot für Frauen schlicht als ungerecht und veraltet. Da hilft es wenig, dass einige Traditionalisten behaupten, menstruierende Frauen würden den Tempel "verschmutzen". Vertreter beider Seiten stehen sich inzwischen kompromisslos gegenüber.

Politische Interessen

Die Tatsache, dass Kerala von einer Linkskoalition unter Führung der Kommunistischen Partei und der Kongresspartei regiert wird, während sich die Hindu-nationalistische Regierung der Bharatiya Janata Party (BJP) in Delhi bereits auf den Wahlkampf 2019 vorbereitet, macht es unwahrscheinlich, dass der Konflikt schnell beigelegt wird.

Der Präsident der Kongresspartei in Kerala, K. Sudhakaran, betonte nach den Ausschreitungen, die Regierung werde keine Gewalt bei dem Tempel tolerieren. Er warf dem BJP-nahen Freiwilligenkorps RSS vor, "als Gläubige maskiert" die Gewalt entfacht zu haben.

"Kein stummer Zuschauer"

"Das ist eine gesteuerte Agenda der Linkskoalition", konterte der Generalsekretär der BJP, K. Surendran. "Wenn sich die Gläubigen zusammentun, um die Tradition des Tempels zu verteidigen, kann sie weder die Polizei noch eine Partei stoppen." Die BJP werde "kein stummer Zuschauer" in "dieser wichtigen Frage des Glaubens" bleiben. (Britta Petersen aus Neu-Delhi, 19.10.2018)