Im Vorjahr gingen in Deutschland Essenslieferanten auf die Straße, um bessere Arbeitsbedingungen einzufordern. Jetzt plant die EU Grundrechte für Plattformarbeiter.

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Der spanische EU-Abgeordnete Enrique Calvet Chambón präsentierte am Donnerstag seinen Bericht über Arbeitsrechte im Beschäftigungsausschuss.

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Selbstgehäkelte Babydecken versteigern oder nach der Vorlesung ein paar Leute kutschieren – fast jeder Vierte in Österreich bietet ein "Sharingservice" an, schätzt das Beratungsunternehmen PwC. Ein netter Zuverdienst für die meisten, aber immer mehr Menschen bestreiten über Onlineplattformen ihr Dasein. Die Veränderung der Arbeitswelt bringt Flexibilität, schafft für Beschäftigte aber ein Spannungsfeld zwischen Selbstständigkeit und Abhängigkeit.

Um endlich klare Verhältnisse zu schaffen, legt die EU ein neues Gesetz für "transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen" vor. Am Donnerstag nahm der Beschäftigungsausschuss im EU-Parlament den Entwurf des Abgeordneten Enrique Calvet Chambón an. Er sprach vorab mit dem STANDARD über die Herausforderungen der neuen Arbeitswelt.

Scheinselbstständigkeit

Diverse Betreiber von Plattformen würden heute ihren Beschäftigten sagen, du bist selbstständig, wir haben eine Geschäftsbeziehung und kein Arbeitsverhältnis, erklärt Chambón. "Das ist nicht fair, und das ist nicht wahr." Was den Unternehmen Vorteile bringt, kann den Beschäftigten schaden. "In meiner Heimat (Spanien, Anm.) wurde ein Radkurier von einer Plattform von heute auf morgen gekündigt, ohne Gehalt und Abfertigung", nennt der liberale Abgeordnete ein Beispiel.

Der Fall wurde vor Gericht geklärt, der Fahrer erhielt Recht. In Österreich lehnen sich die regulativ verbarrikadierten Taxifahrer gegen Uber auf, in Italien und Deutschland formieren sich Betriebsräte und Gewerkschaften für Einzelunternehmer gegen die Gig-Economy. Brüssel will nun EU-weit Kriterien festlegen, wann jemand als Arbeitnehmer zählt, unabhängig von nationalen Einstufungen. "Wenn du von jemandem finanziell oder organisatorisch abhängig bist, sollst du Grundrechte eines Arbeitnehmers erhalten."

Besser informiert

Vor allem geht es um bessere Aufklärung. Plattformen sollen Beschäftigte informieren, welche garantiert bezahlten Arbeitsstunden sie haben und ab wann der Betreiber einen Auftrag absagen kann, ohne dafür zu zahlen. Damit lässt sich besser planen und Verstöße wären leichter einzuklagen. Und im Geiste der flexiblen Gig-Economy sollen Mitarbeiter nicht mehr vertraglich an eine Plattform gebunden werden dürfen. Damit hätten Betreiber Druck, Arbeitsbedingungen zu verbessern.

Warum schaffen die Arbeitnehmervertreter nicht, solche Grundrechte auf nationaler Ebene einzuführen? In Ländern mit starker Sozialpartnerschaft, etwa in Skandinavien, auch Österreich, klappe das. "Aber wir können keine großen Ausnahmen in das Gesetz schreiben", sagt Chambón, "Ich fürchte, Länder ohne echten sozialen Dialog könnten sonst diese Rechte für Arbeiter missachten."

Den innovativen Geschäftsmodellen von Uber und Co wird kaum die Grundlage entzogen. Die neuen Regeln zementieren Ansprüche, die vielerorts bereits gelten. Initiativen für bessere Bedingungen in der Gig-Economy hätten aber einen rechtlichen Anker. Neben dem Plenum im EU-Parlament muss auch der Ministerrat das Gesetz absegnen. (Leopold Stefan, 19.10.2018)