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Mosasaurier im Zweikampf. Manche Arten könnten den Gegner aber erst gerammt haben, ehe sie das Maul aufrissen.
Illustration: Reuters/Jim Martin

Cincinnati – Eine Parallele zwischen den Orcas unserer Tage und den kreidezeitlichen Mosasauriern sieht der Paläontologe Takuya Konishi: Der an der University of Cincinnati in den USA tätige Forscher glaubt, dass manche dieser räuberischen Meeresreptilien wie Rammböcke durchs Wasser gepflügt sind, um große Beutetiere oder auch Kontrahenten auszuknocken.

Die Nummer 1 im Meer

Mosasaurier waren die ungekrönten Könige des Ozeans in der späten Kreidezeit: Außer Artgenossen hatten sie keinen Gegner zu fürchten. Zumindest galt das für Mosasaurier aus der Gattung Tylosaurus, die bis zu 17 Meter lang wurden. Tylosaurus hat es spätestens durch den Film "Jurassic World" von 2015 zu weltweiter Bekanntheit gebracht, als er am Ende das Gentechnik-Monster Indominus rex entsorgte – die Uni Cincinnati nannte ihn anlässlich von Konishis Studie daher ironisch den "unwahrscheinlichen Helden von 'Jurassic World'".

Anders als bei den älteren Ichthyosauriern, deren Körperbau dem von Delfinen ähnelte, und den Plesiosauriern mit ihren langen "Nessie"-Hälsen handelt es sich bei Mosasauriern übrigens nicht um einen verlorenen Zweig des Reptilienstammbaums: Mosasaurier gehören zu den Schuppenkriechtieren. Ob sie eher den heutigen Waranen oder den Schlangen nahestanden, ist noch umstritten – auf jeden Fall gehörten sie einer Reptiliengruppe an, die nach wie vor quicklebendig ist.

Takuya Konishi nahm die Anatomie von Mosasaurier-Schädeln genau unter die Lupe.
Foto: Joseph Fuqua II/UC Creative Services

Konishis Studie, die im "Journal of Vertebrate Paleontology" veröffentlicht wurde, dreht sich um das 85 Millionen Jahre alte Fossil eines Baby-Mosasauriers, das 1991 in Kansas ausgegraben worden war. Man hatte es der Spezies Platecarpus zugeschrieben, doch das hält Konishi für einen Fehler. Er glaubt, dass es sich um einen Tylosaurus handelt, dessen typische Merkmale aufgrund des geringen Alters zum Zeitpunkt des Todes noch nicht voll ausgeprägt waren.

Der Forscher räumt ein, dass manche seiner Kollegen frustriert davon sind, dass die Mosasaurier – insgesamt kennt man bereits über 30 verschiedene Gattungen – einander allesamt stark ähnelten. Sähe man jedoch genauer hin, könne man Unterschiede erkennen, die auf unterschiedliche Lebensweisen hindeuten: Eine Spezies mit spitzen Zähnen dürfte sich vor allem von Fischen ernährt haben. Eine andere mit kurzem, kräftigem Kiefer könnte sich hingegen darauf spezialisiert haben, den Panzer von Meeresschildkröten zu knacken.

Blick aufs Detail

Die Besonderheit von Tylosaurus sei eine Verlängerung des Rostrums, des knöchernen Teils der Schnauze, gewesen. Bei anderen Mosasauriern saßen an der Schnauzenspitze Zähne – bei diesem Tier hingegen war ihnen ein knöcherner Vorsprung vorgelagert, eine Art Mundschutz. Zudem hatte Tylosaurus breite und robuste Schädelknochen, die das Gehirn schützten.

Für den Forscher sind das Anzeichen, dass die Anatomie darauf angelegt war, maximalen Aufprallschutz zu bieten. Konishis Schlussfolgerung: Anders als ein Hai, der seiner Beute sofort große Fleischstücke aus dem Leib reißt, habe Tylosaurus die Gewohnheit gehabt, Gegner erst zu rammen und dadurch zu betäuben, ehe er zubiss.

Orca-Experte Ken Balcomb vom Center for Whale Research kann dem Vergleich mit Schwertwalen einiges abgewinnen. Er verweist zwar darauf, dass Orcas sehr verschiedene Jagdstrategien einsetzen, weswegen man den Tieren auch bereits verschiedene "Kulturen" zugeschrieben hat. Die Rammbock-Strategie gehöre aber zu ihrem Repertoire. Zu spüren bekommen sie vor allem großgewachsene Tiere, ob Weiße Haie oder Grauwale. (jdo, 22. 10. 2018)