Frage

"Ich bin 31 Jahre alt und lebe seit zehn Jahren in einer glücklichen Beziehung mit meinem Partner, der ein Jahr älter ist. Als wir zusammenkamen, war für uns beide klar, dass wir keine Kinder wollen und ein kinderloses Paar bleiben werden und waren auch sehr glücklich damit. Vor sieben Monaten etwa traf mich aber der Kinderwunsch wie der Schlag. Von einem "Hmmm ... wieso eigentlich nicht?" entwickelte er sich nun in kürzester Zeit zu einer gewissen Obsession. Er bestimmt mein gesamtes Denken, mein Fühlen. Noch nie habe ich etwas so sehr gewollt, wie ich jetzt plötzlich eine Mama werden will. Bei ihm hat sich aber nichts geändert. Er will es einfach nicht und sagt, er könne mit Kindern wirklich einfach null Komma null anfangen. Das belastet unsere Beziehung. Nicht weil wir uns streiten, sondern einfach, weil wir von jetzt auf gleich in zwei völlig verschiedenen Erlebenswelten leben.

Kinder oder keine? Wie so oft in einer Beziehung, sollte man auch beim Thema Kinderwunsch Tacheles reden.
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Es ist eine richtige Pattsituation, in der wir uns lieben und nicht trennen möchten, aber das Gefühl haben, egal was wir tun, wird einer gewinnen und einer verlieren, weil es keinen Kompromiss gibt zwischen ein Kind kriegen und kein Kind kriegen. Am Ende bestimmt immer der, der nicht will, aber ich glaube nicht, dass das für mich eine Option ist, weil ich mir gerade nicht vorstellen kann, dass es jemals aufhören wird, dass ich darüber traurig bin. Was kann ich tun?"

Antwort von Katharina Weiner

Entscheidungen, die unser ganz individuelles Sein betreffen, sind ungeschönt ausgesprochen meist sehr einsame, auch wenn wir uns in einer Partnerschaft befinden. Unabhängig davon, wie lange eine Beziehung bereits besteht, ist es durchaus natürlich, plötzlich vor einer Weggabelung zu stehen, die eine intensive Auseinandersetzung mit den eigenen, ganz persönlichen Bedürfnissen, Werten, Vorstellungen und den sich daraus entwickelnden Wünschen erfordert.

Hilfreich ist es in diesen Momenten, ein klares Bewusstsein für den eigenen Lebenswunsch – und wie Sie diesen gestalten möchten – zu erlangen. Was alles an Gedanken und Gefühlen begleitet die Vorstellung, Mutter zu sein? Wie wird es mein Leben verändern, was wird bereichernd sein, was muss ich dafür aufgeben? Ist mein Partner der Mann, mit dem ich alle diese Wege gemeinsam gehen möchten? Habe ich die letzten Jahre etwas ganz Bestimmtes vermisst?

Sobald Sie eine für Sie stimmige Klarheit zu diesen Überlegungen gefunden haben, können Sie Ihren Partner um ein erneutes Gespräch bitten. Sagen Sie ihm, welche Bedürfnisse, welche neuen Vorstellungen vom Leben Sie in sich entdeckt haben. Bitten Sie auch ihn, seine eigenen Bedürfnisse, Träume und Ängste mit Ihnen zu teilen. Seien Sie dabei ehrlich zu sich selbst und Ihrem Partner wie auch aneinander offen interessiert, und respektieren sie beiderseits die Entscheidungen des anderen.

Ungeachtet dessen, wohin die Reise geht, kann dieser gemeinsame Prozess eine spannende Entdeckungsreise werden und Ihre Beziehung in vielerlei Hinsicht bereichern, auch wenn es im ersten Moment schmerzvoll oder gar egoistisch erscheint. (Katharina Weiner, 21.10.2018)

Katharina Weiner ist Familienberaterin, Coach und arbeitet als Trainerin in der Elternbildung. Die Mutter einer Tochter leitet das Jesper-Juul-Familylab in Österreich.
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Antwort von Hans-Otto Thomashoff

Da besteht ganz offensichtlich Klärungsbedarf in der Beziehung. Als Erstes sollten Sie sich selbst fragen, warum sich Ihre Einstellung zu einem Kind gewandelt hat. Fraglos ist ein Kind die natürlichste Sache der Welt, und doch sagt eine plötzliche Änderung der Lebensplanung immer auch etwas über das Gefühl in der eigenen Partnerschaft aus.

Umgekehrt ist es auch wichtig zu verstehen, warum Ihr Partner partout kein Kind will. Ist es, weil er Angst vor seiner Rolle als Vater hat, vielleicht weil ihm sein Vater kein brauchbares Vorbild war? Oder weil sich das Leben mit Kind drastisch ändern wird? Diese Angst ist begründet und wird massiv verstärkt durch den Druck, dem Eltern heutzutage ausgesetzt sind. Eltern müssen perfekt sein und, wie es scheint, ihr eigenes Lebensglück ganz dem Wohl eines Kindes unterordnen. Nicht nur verdirbt es den eigenen Lebensentwurf, zerrüttet es oft die Partnerschaft, wenn das Kind wichtiger wird als der Partner. Sondern zugleich wird dem Kind ein Rollenmodell vorgelebt, das es ihm selbst wenig schmackhaft macht, als Erwachsener selbst eine Familie zu gründen. "Das tue ich mir doch nicht an", höre ich häufig in meiner Praxis.

Fazit: Eltern sollten ihrem Kind vorleben, dass eine liebevolle Partnerschaft die wichtigste Beziehung im Leben ist. Wie das geht? "Ich will, dass es dir gut geht", lautet die Grundregel. Von beiden, in gerechter Aufteilung. Wechselseitig Wünsche und Ängste zu verstehen, ermöglicht Lösungen zu finden, in denen es nicht um Gewinnen oder Verlieren geht. Ein bisschen Kind gibt es nicht, das stimmt. Doch das muss nicht zu einem Machtkampf führen. Spielen Sie beide Varianten im Gespräch durch, und dann klären Sie, was das für Sie bedeutet, wo die Wünsche und wo die Ängste liegen. (Hans-Otto Thomashoff, 21.10.2018)

Hans-Otto Thomashoff ist Psychiater, Psychoanalytiker, zweifacher Vater und Autor. Zuletzt veröffentlichte Bücher: "Das gelungene Ich" (2017) und "Damit aus kleinen Ärschen keine großen werden" (2018).
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