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Im Herbst 2015 kamen tausende Migranten auf dem Wiener Westbahnhof an. Heute bemühen sich Europas Regierungen um die Auslagerung ihrer Asylzentren – bislang vergebens.

Foto: REUTERS/Heinz-Peter Bader

Wien – Europas geplante Asylaufnahmezentren in Nordafrika entpuppen sich mehr und mehr als Luftschlösser. Nachdem Bundeskanzler und EU-Ratsvorsitzender Sebastian Kurz (ÖVP) bereits im Sommer in Kairo eine klare Absage zu den sogenannten Anlandeplattformen in Ägypten kassiert hatte, bekräftigte nun auch Tunesien sein kategorisches Nein. "Wir sind kein Transitland für Migranten und fühlen uns deshalb von dieser Debatte nicht betroffen", formulierte es am Freitag Migrationsstaatssekretär Adel Jarboui auf der Vienna Migration Conference in der Wiener Aula der Wissenschaften diplomatisch.

Eigentlich wollte er im Gespräch mit Journalisten über die Errungenschaften der tunesischen Migrationspolitik sprechen, etwa die strikten Kontrollen an seinen Grenzen und Flughäfen. Doch sein Nein zu den auch in Europa umstrittenen Plattformen wurde am Freitagvormittag zum Mantra. Man kooperiere schließlich schon jetzt auf vielen Ebenen mit der EU, setze sich für die Sicherheit Europas ein, hindere Flüchtlingsboote am Ablegen in Richtung Italien. "Die tunesische Regierung tut alles, um die illegale Migration in Richtung Europa zu stoppen", versicherte er.

"Keinerlei Vorteile"

1.000 Ablegeversuche von Flüchtlingsbooten habe man an den Stränden seines Landes bereits vereitelt, rechnete er vor, 9.000 Migranten seien allein 2018 schon aus EU-Ländern zurückgenommen worden, vor allem aus Italien, von wo aus zweimal pro Woche Flugzeuge mit Abgeschobenen mit Destination Tunis abheben. Aber Flüchtlingslager im eigenen Land? "Ich glaube nicht, dass so eine Plattform auch nur irgendeinen Vorteil hätte, weder für Tunesien noch für die EU." Schließlich seien es heute Libyen und Marokko und nicht mehr Tunesien, von wo aus Flüchtlingsschiffe in See stechen.

Ex-Vizekanzler Michael Spindelegger, als Generaldirektor des in Wien ansässigen International Centre for Migration Policy Development (ICMPD) Gastgeber der Konferenz, hob unverdrossen die gute Kooperation mit Tunis hervor. So arbeite das ICMPD im Rahmen eines mit 55 Millionen Euro dotierten EU-Programms an der Beschaffung von Grenzschutzausrüstung und der Ausbildung der tunesischen Kontrolleure.

Jarboui dankte den EU-Staaten für ihre Unterstützung, rief aber auch zu mehr Investitionen in Tunesien auf, um den Migrationsdruck zu verringern – schließlich erwiesen sich die legalen Wege für Tunesier in die EU zunehmend als versperrt. "Oft werden Visaanträge abgelehnt, obwohl die Betroffenen alle Anforderungen erfüllt haben", sagte er. Ein neues Gastarbeiterkonzept könnte hierbei Abhilfe schaffen.

Jonathan Prentice, der Uno-Sonderbeauftragte für den globalen Migrationspakt, hat auf der Konferenz zuvor Vorwürfe im Zusammenhang mit dem in Österreich umstrittenen neuen Abkommen zurückgewiesen. "Der Pakt hat nicht das Ziel, Migration zu fördern. Er soll ein System der Ordnung gegenüber einem der Unordnung fördern."

Afghanische Visaprobleme

Bei zumindest einem der hochrangigen Konferenzteilnehmer hat die straffe EU-Einreisepolitik nachhaltigen Eindruck hinterlassen. "Ich habe mein Visum erst vor drei Tagen bekommen", berichtete der afghanische Arbeitsminister Faizullah Zaki Ibrahimi. "Und wann soll ich das Land verlassen? In 72 Stunden." Spindelegger bemühte sich auf dem Podium zumindest rhetorisch um Willkommenskultur. "Sie sind willkommen in Österreich, auch wenn es nur 72 Stunden sind." (Florian Niederndorfer, 19.10.2018)