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Die Hauptstraßen waren während der Trauerfeier für den Verkehr gesperrt.

Foto: REUTERS/Pavel Rebrov

Kertsch – Mit einer bewegenden Trauerfeier haben die Menschen in Kertsch Abschied von den 20 Todesopfern des Schul-Amoklaufs genommen. Zwei Tage nach der Bluttat erwiesen tausende Trauernde den mehrheitlich sehr jungen Opfern die letzte Ehre. Krim-Regierungschef Sergej Aksjonow sagte: "Die jüngere Geschichte der Krim wird zweigeteilt sein: vor und nach dem 17. Oktober 2018".

In einer schier endlosen Schlange zogen die Menschen an den Fotos der Todesopfer vorbei und legten Blumen nieder. Die Zeremonie fand auf dem zentralen Lenin-Platz statt. Die Fotos waren auf mit einem roten Tuch bedeckten Tischen aufgestellt.

Aksjonow legte rote Rosen vor jedem der 20 Särge nieder. Rund hundert Schüler, darunter auch eine verletzte Schülerin im Rollstuhl, nahmen an der Zeremonie teil.

"Ich habe mir alle Fotos angesehen", sagte die 67-jährige Larissa Nikolaewna. "Das sind Kinder, wirklich ganz jung. Warum passiert so etwas?" Auch der 58-jährige Pawel Essin kann es nicht fassen: "Unsere Stadt ist klein, jeder kennt sich."

Hauptstraßen gesperrt

Die Zeremonie wurde von einem großen Sicherheitsaufgebot begleitet. Alle Hauptstraßen der 150.000-Einwohner-Stadt waren für den Verkehr gesperrt. Viele Einwohner waren bereits am Morgen mit Blumen in den Händen auf dem Weg zum Lenin-Platz. Nach der Feier zog die Menge in einem Trauerzug zum neuen Friedhof der Stadt.

Das jüngste Todesopfer ist nach Behördenangaben 15 Jahre alt. Mehr als 40 weitere Menschen wurden verletzt, viele erlitten schwere Schuss- oder Explosionswunden. Der Zustand mehrerer Opfer wurde als "sehr ernst" beschrieben. Sechs der Verletzten wurden zur Behandlung nach Moskau geflogen und wegen Explosionsverletzungen intensivmedizinisch betreut, wie der Bürgermeister der Hauptstadt, Sergej Sobjanin, sagte. Der 18-jährige Täter, Wladislaw Rosljakow, hatte sich nach dem Amoklauf in einer Schulbibliothek das Leben genommen.

Unklares Motiv

Das genaue Motiv des Amokläufers liegt weiter im Dunkeln. Es verdichteten sich jedoch Hinweise auf persönliche Probleme des Todesschützen. Die Ex-Freundin des Schützen hatte "Erniedrigungen" durch seine Mitschüler als mögliches Tatmotiv genannt. Der 18-Jährige habe sich für erlittenes Unrecht rächen wollen, sagte sie am Donnerstag dem russischen Fernsehsender RT. Er habe das Vertrauen in seine Klasse verloren, nachdem diese angefangen habe, "ihn zu erniedrigen, weil er nicht wie die anderen war". Er habe oft Streit mit seinem Umfeld gehabt und nicht mehr leben wollen. Während sie mit ihm zusammen gewesen sei, sei er aber hilfsbereit, "nett und sensibel" gewesen.

Zuvor hatte eine Zeitung einen Mitschüler mit den Worten zitiert, Rosljakow habe die Schule "wegen bösartiger Lehrer gehasst". Ebenso wie die Ex-Freundin schilderte auch eine Nachbarin auf RT, dass Rosljakow von klein auf von Waffen fasziniert gewesen sei.

Putin: "Folge der Globalisierung"

Die Zeitung "Kommersant" schrieb nach dem Amoklauf, Rosljakow sei in einer "ziemlich armen Familie" aufgewachsen. Der behinderte Vater habe von der Familie getrennt gelebt. Die Mutter sei bei den Zeugen Jehovas gewesen, eine in Russland als "extremistisch" eingestufte und verbotene religiöse Glaubensgemeinschaft.

Russlands Staatschef Wladimir Putin hatte die Tat als Folge der "Globalisierung" bezeichnet, da an US-Schulen verübte Gewalttaten nachgeahmt würden. Der bisher schlimmste Schul-Amoklauf in der russischen Geschichte weckte bei vielen die Erinnerung an den Amoklauf an der Columbine High School in den USA im Jahr 1999 mit 13 Todesopfern. (APA, 19.10.2018)