Wie DER STANDARD berichtete, möchte das Arbeitsmarktservice (AMS) in Zukunft Algorithmen verwenden, um die voraussichtliche Länge von Arbeitslosigkeitsperioden zu prognostizieren. In einem ersten Schritt werden dazu die Arbeitslosen aufgrund der Wiedereingliederungschancen in drei Gruppen geteilt. Ab 2020 ist dann möglicherweise auch noch eine Anpassung des Betreuungsangebots je nach Zuteilung in eine dieser Gruppen geplant.

Als Arbeitsmarktforscher begrüße ich diese angedachte Neuerung vollkommen. Prinzipiell ist mehr Information immer besser. Ähnliche Algorithmen werden heute bereits in verschiedenen Bereichen eingesetzt. Sie berechnen, welche TV-Serien oder Filme uns auf Netflix gefallen könnten, optimieren Smartphone-Aufnahmen oder erkennen Krebsgeschwüre auf Computertomografiebildern. Wenn also heute eine Vielzahl an Unternehmen solche Algorithmen verwendet, um Kundenverhalten zu prognostizieren, warum sollte das AMS dies nicht tun?

Bessere Prognosen

Kritiker haben eine Reihe an Befürchtungen. Eine davon fußt auf dem Zweifel, ob ein Algorithmus überhaupt bessere Prognosen als ein Arbeitsmarktbetreuer treffen kann. Hierzu muss man wissen, dass in den vom Arbeitsmarktservice verwendeten Sozialversichungsdaten enorm viel Information enthalten ist, die von einem Menschen kaum adäquat verarbeitet werden kann. Ein Algorithmus hingegen kann aus tausenden Faktoren diejenigen identifizieren, die am wichtigsten für die Prognose sind. Deswegen können Algorithmen Krebsgeschwüre heute schon besser auf Computertomografiebildern erkennen als geschultes medizinisches Personal. So könnte der Algorithmus den AMS-Betreuer gleich darauf hinweisen, dass eine Person verringerte Chancen am Arbeitsmarkt hat, wodurch schneller und zielgerichteter eingegriffen und geholfen werden könnte.

Mehr Chancen als Risiken

Eine schon fundiertere Befürchtung der Kritiker ist, dass in Zukunft Personen mit schlechteren Arbeitsmarktchancen weitere Mittel gekürzt werden könnten. Diese Befürchtung muss man sehr ernst nehmen, man möchte schließlich nicht Personen mit ohnehin schlechteren Chancen auf eine Anstellung auch noch Möglichkeiten für einen Wieder- oder Neueinstieg verbauen. Doch auch hier gibt es mehr Chancen als Risiken bei der Anwendung von Algorithmen. Vor allem in der personenspezifischen Anpassung von Betreuungsangeboten sehe ich ein enormes Potenzial von Algorithmen. Genauso wie Netflix Nutzern eine Serie vorschlägt, die ähnlichen Kunden schon gefallen hat, könnte das AMS die Algorithmen verwenden, um Maßnahmen und Fortbildungsmöglichkeiten vorzuschlagen, die bei ähnlichen Personengruppen schon erfolgreich waren.

Effizientere Maßnahmen

Außerdem agiert das AMS selbstverständlich mit begrenzten Mitteln, und diese sind sinnvollerweise dort einzusetzen, wo sie am meisten bringen. Wenn man mithilfe der Algorithmen jetzt die Personengruppen identifiziert, bei denen gewisse Maßnahmen in der Vergangenheit nicht viel Effekt zeigten, ist es sinnvoll, hier zu sparen und stattdessen das Geld in effizientere Maßnahmen zu investieren. Wichtig ist es in jedem Fall sicherzustellen, dass man motivierten Personen keine Chancen für einen Wiedereinstieg verbaut. Da die Betreuer die Letztentscheidung über gewählte Maßnahmen treffen, ließe sich dies auch gewährleisten.

Jede neue Technologie bietet Chancen und Gefahren. Hier muss man dem AMS einfach ein gewisses Maß an Vorschussvertrauen entgegenbringen und sie dann am Erfolg messen. Aus der Erfahrung von bisherigen Forschungsergebnissen und zahlreichen anderen Bereichen, wo schon Algorithmen angewandt werden, bin ich überzeugt: Wenn Algorithmen korrekt angewendet werden, werden diese helfen, Arbeitslose schneller wieder am Arbeitsmarkt einzugliedern. (Andreas Gulyas, 20.10.2018)