Namensschilder beim Hauseinang erfüllen einen wichtigen Zweck. Steht nur eine Zahl neben der Klingel, ist es für Gäste, für Paketdienste oder bei Rettungseinsätzen schwieriger.

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Wien – Alles begann mit der Beschwerde eines Gemeindebaumieters. Daraufhin beschloss Wiener Wohnen, gleich auf den Klingelschildern für alle 220.000 Gemeindebauwohnungen die Namen der Mieter durch Top-Nummern zu ersetzen.

Der Tausch erfolgte – entgegen anderslautenden Medienberichte – nicht auf Anordnung der Datenschutzbehörde, sondern weil die Stadt Wien selbst dies für notwendig befand. Daraufhin empfahl der deutsche Immobilien-Eigentümerverband "Haus & Grund" all seinen 900.000 Mitgliedern, ebenso eine "Anonymisierung" der Klingelschilder vorzunehmen.

Eine solche "Anonymisierung" ist nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) aber gar nicht erforderlich, weil die Verordnung in diesem Fall gar nicht anwendbar ist. Die DSGVO gilt nur für elektronische Daten und strukturierte physische Datensammlungen (z. B. Aktenverwaltungssysteme). Die physischen Namensschilder an der Gegensprechanlage unterliegen daher nicht dem Datenschutzrecht und sind daher zulässig. Das war auch unter der alten Rechtslage nicht anders.

Selbst wenn die DSGVO auf Klingelschilder anwendbar wäre, würde dies am Ergebnis nichts ändern. Denn eine Datenverarbeitung ist nach der Verordnung insbesondere dann zulässig, wenn sie sich auf berechtigte Interessen des Verantwortlichen (hier des Vermieters) oder eines Dritten stützt, die gegenüber den Interessen der Betroffenen überwiegen. Namen auf den Klingelschildern ermöglichen es nicht nur Gästen, an der richtigen Tür zu läuten, sie erleichtern auch Paketdiensten ihre Arbeit und können bei Polizei- und Rettungseinsätzen sogar lebensrettend sein.

Geringere Interessen

Die Interessen von Mietern, anonym zu bleiben, sind demgegenüber meist sehr gering, sodass Klingelschilder mit Namen auch bei Anwendbarkeit der DSGVO zulässig wären. Nur in höchst seltenen Sonderfällen – Personen im Zeugenschutzprogramm, Opfer von Stalking – überwiegen die Geheimhaltungsinteressen eines Mieters, sodass er der Namensnennung am Klingelschild widersprechen könnte.

Inzwischen hat auch die EU-Kommission die Zulässigkeit der Namensnennung auf Klingelschildern bestätigt. Es ist daher zu hoffen, dass Wiener Wohnen die durchaus kostspielige "Anonymisierung" absagt. Ansonsten drohen der kommunalen Hausverwaltung nämlich Klagen von Mietern auf Nennung ihres Namens; diese ist nämlich verkehrsüblich, und eine Anonymisierung würde die vertragliche Nutzung des Mietobjekts einschränken.

Die Klingelschilder in Wien sind leider nicht die einzige Datenschutzposse. Um ein Beispiel zu nennen: Es wird vielfach behauptet, personenbezogene Daten – z. B. eine Steuererklärung – dürften nicht mehr per E-Mail übermittelt werden. Diese These ist unrichtig, weil alle modernen Mailserver verschlüsselt miteinander kommunizieren und daher eine angemessene Sicherheit grundsätzlich gewährleistet ist.

Die DSGVO wollte die Sensibilität im Umgang mit Daten steigern. Doch statt in Panik zu verfallen, sollten Unternehmen auf Expertise setzen. Nur so können tatsächliche rechtliche Risiken kosteneffizient adressiert werden, ohne sich im Datenschutzdschungel zu verlieren.(Lukas Feiler, Thomas Rainer Schmitt, 22.10.2018)