Fast zweieinhalb Jahre nach dem EU-Austritt-Entscheid lassen Umfragen in Großbritannien darauf schließen: Am knappen Ergebnis hat sich nichts geändert, wenn auch bei einer neuerlichen Abstimmung diesmal knapp die Gegner des Brexits die Nase vorn haben könnten.

Selbst wenn die Umfragen stimmen, woran Zweifel erlaubt sind: Würde ein neuerliches 52:48-Ergebnis der zerstrittenen Nation helfen? Dagegen gibt es gewichtige Argumente. Das Vereinigte Königreich gilt als Mutter des Parlamentarismus, Referenda bleiben eine Ausnahme. Im Juni 2016 kamen viele politisch normalerweise Apathische zu den Urnen, sehenden Auges entschied sich eine Mehrheit gegen den Status quo. Wenn nun die politische Elite jenen Status quo erneut zur Wahl stellt – handelt sie damit nicht genau jenem Zerrbild entsprechend, das die EU-Hasser gern von der vermeintlichen Brüsseler Diktatur verbreiten?

Andererseits gilt natürlich weiter, was der frühere Brexit-Minister David Davis gesagt hat: Eine Demokratie muss ihre Meinung ändern dürfen. Die 700.000 Londoner Demonstranten drückten das weitverbreitete Unbehagen am Dilettantismus der konservativen Regierung unter Premierministerin Theresa May aus. Für ein zweites Referendum mag der politische Druck nicht reichen. Aber auch mit einem deutlich weicheren Brexit und einer engen Anbindung an den Kontinent wäre dem Land gedient. (Sebastian Borger, 21.10.2018)