Die Stadtregierung von Madrid will den Durchzugsverkehr innerhalb des Stadtautobahnrings M30 deutlich reduzieren. Damit soll die Luftqualität im Zentrum der Stadt verbessert werden.

Madrid sperrt den Verkehr aus. Ab dem 23. November dürfen nur noch Anwohner, deren Besucher sowie Fahrzeuge mit Sondergenehmigung ins Zentrum fahren. Nur die Anwohner dürfen dabei künftig noch auf der Straße parken. Alle anderen Fahrzeuge müssen ins Parkhaus. Ein absolutes Fahrverbot gilt für Fahrzeuge ohne Umweltplakette. Das sind Benziner, die vor 2000, und Diesel, die vor 2006 zugelassen wurden. Für Zulieferer gibt es eine Übergangsfrist, in der sie ihren Fuhrpark modernisieren müssen.

Anwohner mit einem alten Pkw dürfen weiterhin in ihr Parkhaus; sollten sie das Fahrzeug wechseln, müssen sie ein neueres kaufen. Ausgenommen vom Fahrverbot sind alle elektrisch oder mit Gas betriebenen Pkw sowie die mit Hybridantrieb, mit dem sie mehr als 40 Kilometer elektrisch unterwegs sein können. Auch Motorräder brauchen eine Umweltplakette und dürfen nur von sieben Uhr früh bis zehn Uhr abends in der Innenstadt parken. Bis 2025 muss die Taxiflotte umgestellt sein.

Bußgeld von 90 Euro

"Madrid Central" heißt der Plan der linksalternativen Stadtverwaltung unter Bürgermeisterin Manuela Carmena. Wer ohne Erlaubnis in das Sperrgebiet innerhalb der Stadtautobahn M30 (Grafik) einfährt, muss mit einem Bußgeld von 90 Euro rechnen. Parkhäuser und Zufahrten in die Innenstadt werden künftig mit Kameras überwacht. Wer etwa auf Einladung eines Anwohners in der Innenstadt unterwegs war, aber nicht ins Parkhaus gefahren ist, wird so automatisch einen Bußgeldbescheid zugestellt bekommen. In den ersten Monaten will die Stadtverwaltung allerdings nur Informationsbriefe verschicken. Ende Winter, Anfang Frühjahr wird es dann ernst mit den Strafzetteln.

Luft soll sauberer werden

Die Einschränkung des Straßenverkehrs hat das Ziel, Madrids Luft sauberer zu machen. Auf den 472 Hektar der Innenstadt soll die Belastung durch Stickoxide um 40 Prozent sinken. Madrids Luftverschmutzung ist vor allem in regenarmen Zeiten besonders hoch. Umweltschutzverbände schätzen die Zahl derer, die pro Jahr aufgrund der Kontaminierung frühzeitig sterben, auf 2000. Die gelb-braune Dunstglocke über der Stadt ist von weither zu sehen.

Seit 2015 wurde der Verkehr immer wieder eingeschränkt, weil die Werte deutlich über denen lagen, die von EU-Richtlinien erlaubt sind. Diese Fahrverbote wird es bei Bedarf auch künftig geben und betreffen dann auch die Anwohner. Bevor Bürgermeisterin Carmena ins Rathaus einzog, gab es zwar bereits einen Plan gegen die hohe Luftverschmutzung, er wurde aber nicht umgesetzt. Den Konservativen galten Maßnahmen gegen des Spaniers liebstes Kind, den Privat-Pkw, als unpopulär. Madrid wurde deshalb mehrmals von der EU abgemahnt.

Weitere Maßnahmen

Die Einschränkung des Straßenverkehrs ist nicht die einzige Maßnahme, die ab Ende November in Kraft tritt. Auf den einstigen großen Durchgangsstraßen, etwa der Gran Vía, werden die Gehsteige verbreitert. Auf Einbahnstraßen und solchen mit nur einer Spur pro Fahrtrichtung darf nur noch 30 km/h gefahren werden. Das gilt für das gesamte Stadtgebiet und betrifft 85 Prozent des innerstädtischen Straßennetzes.

Die Stadtverwaltung der 74-jährigen ehemaligen Richterin Carmena, die mit dem Bürgerbündnis "Ahora Madrid" ("Jetzt Madrid") rund um die Partei Podemos seit 2015 die Geschicke der spanischen Hauptstadt lenkt, traut sich damit an etwas heran, was ihre Vorgängerin Ana Botella, Konservative und Ehefrau des einstigen spanischen Ministerpräsidenten José María Aznar, in den Schubladen ganz unten verschwinden ließ. Deren nie umgesetzter Plan sah ebenfalls eine Sperrung der gesamten Innenstadt vor. "Es ist ein sehr ehrgeiziger Plan", erklärt Umweltbürgermeisterin Inés Sabanés. Sie weiß, dass Madrid damit über eine Verkehrspolitik verfügt, die außer in Skandinavien nirgendwo sonst in europäischen Großstädten umgesetzt wird.

(Reiner Wandler aus Madrid, 22.10.2018)