Der Baustellenprotest der Umweltorganisation Greenpeace gegen den Umbau der Umweltpolitik bewirkte bei der Regierung bis jetzt nicht viel.

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Bei all der Aufregung über die geplanten Hürden für Umweltorganisationen in Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren (UVP) gerieten kleinere Änderungen in der UVP-Novelle ins Abseits. Dabei sind sie nicht minder bedeutsam in behördlichen Genehmigungsverfahren von Großprojekten. Die im Ministerialentwurf zum Standortentwicklungsgesetz von Verfassungs- und Verwaltungsrechtsexperten massiv kritisierte "Genehmigungsfiktion" etwa, die nach Zeitablauf (ein Jahr) automatisch zur Genehmigung eines standortrelevanten Projekts führen soll, findet sich in der UVP-Gesetzesnovelle zwar nicht. Dafür aber Fristen, die vorgeblich zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren führen sollen, denen aber auch eine Art Automatik innewohnt.

"Beweisanträge und neue Vorbringen sind bis spätestens in der mündlichen Verhandlung zu stellen bzw. zu erstatten", heißt es in der vorgeschlagenen Fassung, die am Donnerstag im Nationalrat beschlossen werden soll. Danach gilt das Verfahren als geschlossen.

In der Praxis heißt das: Was Anrainer, Bürgerinitiativen oder Umweltorganisationen an neuen Erkenntnissen oder Tatsachen in einem UVP-Verfahren nach der mündlichen Verhandlung bisher noch bei der Behörde einbringen konnten, dürfen sie künftig nicht mehr. Mit dieser Änderung im UVP-Gesetz wird die soeben im Parlament beschlossene und im Bundesgesetzblatt kundgemachte Novelle des Allgemeinen Verwaltungsgesetzes (AVG) für Umweltverfahren außer Kraft gesetzt.

Fortsetzung eingeschränkt

Laut dem neuen AVG ist ein Ermittlungsverfahren auf Antrag fortzusetzen, wenn eine Verfahrenspartei "glaubhaft macht, dass Tatsachen oder Beweismittel ohne ihr Verschulden nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Ermittlungsverfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid herbeiführen würden". Die Behörde kann das Verfahren jederzeit von Amts wegen fortsetzen.

Für Umweltprüfungen von Kraftwerks-, Autobahn- oder Bahnprojekten soll genau dieses Rechtsprinzip künftig nicht gelten. Im Gegenteil, die Behörde wird angehalten, das Verfahren zu schließen – selbst auf Gefahr hin, dass wichtige Fragen oder Sachverhalte, etwa zu Sachverständigengutachten oder Projektunterlagen, erst in der mündlichen Verhandlung auftauchen. Auch ein Antragsrecht auf Fortsetzung wie im AVG soll es nicht geben. "Später gewonnene wichtige Erkenntnisse und Tatsachen blieben damit unberücksichtigt", warnen Verwaltungsrichter, die nicht genannt werden wollen, ebenso wie der emeritierte Verfassungsrechtsprofessor Heinz Mayer. Sie sehen das Recht auf ein faires Verfahren in Gefahr.

Marathonverhandlungen

"Damit wird die mündliche Verhandlung, oft mehrtägige Marathonsitzungen, maßlos überfordert", warnt Wolfgang Rehm von der Umweltorganisation Virus. Als Beispiel nennt er die Marchfeldschnellstraße S8, bei deren Verhandlung der Sachverständige für Tiere und Lebensräume Vorbringen zum Vogelschutz nicht sofort beantwortete, sondern erst im Juni 2017, also sieben Monate später. Weitere sieben Monate vergingen bis zur Stellungnahme auf die von den Umweltschützern eingebrachte Widerlegung. (Luise Ungerboeck; 22.10.2018)