Demonstranten, verkleidet als Mohammed bin Salman und Donald Trump, forderten vor dem Weißen Haus einen harten Kurs gegenüber Saudi-Arabien.

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Die Kundgebung wurde von der Friedensgruppe "Code Pink" organisiert.

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Nach dem Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi wächst in den USA der Druck auf Präsident Donald Trump, der sich bisher schützend vor die saudische Regierung gestellt hat. Im Kongress wird die neueste Erzählung aus Saudi-Arabien, wonach Khashoggi bei einer Schlägerei im saudischen Konsulat in Istanbul ums Leben kam, mit unverhohlenem Sarkasmus kommentiert. Das gilt auch für Parteifreunde des Präsidenten. Auch Europas Regierungschefs fordern zunehmend Fakten und Details zu den tatsächlichen Vorkommnissen im saudischen Konsulat.

Der saudische Außenminister verspricht im Fox-News-Interview eine lückenlose Aufklärung des Mordes.

Nachdem der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan am Sonntag ankündigte, binnen 48 Stunden die "nackte Wahrheit" zur Ermordung Khashoggis zu enthüllen, sind mittlerweile mehrere Zeugeneinvernahmen angelaufen. Knapp 30 Zeugen – vor allem Konsulatsmitarbeiter – sollen am Montag laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu von mehreren Staatsanwälten in Istanbul verhört werden.

Auch die Regierungen Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens forderten eine volle Aufklärung. Diese sicherte der saudische Außenminister Adel al-Jubeir in einem Fox-News-Interview am Sonntag zu, richtig glauben wollen ihm das aber nur die wenigsten. Immerhin beteuert Riad nach wie vor, nicht zu wissen, wo sich die Leiche des Verstorbenen befindet. Außerdem soll es nie die Absicht Riads gewesen sein, Khashoggi zu ermorden.

Die Aktion sei aus dem Ruder gelaufen, gewisse Personen hätten ihre Verantwortung überschritten, sagte Jubeir. "Sie machten den Fehler, Jamal Khashoggi im Konsulat zu töten, und versuchten es zu vertuschen." Der britische Außenminister Jeremy Hunt sagte Riad in einem Gespräch zu seinem saudischen Amtskollegen, dass es "keinerlei Rechtfertigung" für diesen Mord geben könne. Nach Angaben Riads soll Öl diesmal nicht als politische Waffe eingesetzt zu werden. Es gebe keinen Plan, wie 1973 die Ölfördermengen zu drosseln, sagte der saudische Ölminister Khalid al-Falih am Montag der russischen Agentur Tass.

Heftige Diskussionen in den USA

Glauben will die Darstellungen Riads auch in den USA kaum jemand mehr. Bob Corker, Vorsitzender des außenpolitischen Senatsausschusses, will US-Detektive ermitteln lassen, bis eindeutig geklärt ist, wer Khashoggis Tod zu verantworten hat. Dieser hatte einen Wohnsitz in McLean, einem Villenvorort am Rande Washingtons. Allein das, gibt Corker zu verstehen, sollte eine Einbeziehung von US-Experten in die Untersuchungen rechtfertigen. Angesichts der immer neuen Geschichten, die Riad aufgetischt habe, "sollten wir nicht davon ausgehen, dass die neueste wasserdicht ist", sagt der Republikaner.

Prominente Demokraten gehen noch einen Schritt weiter und rufen dazu auf, Saudi-Arabien im Krieg im Jemen die Unterstützung zu entziehen. 55 Kongressabgeordnete wiederum haben einen Brief an Dan Coats angekündigt, den Koordinator der US-Geheimdienste. Darin wollen sie Einblick in alles verlangen, was etwa die NSA über Telefonate und E-Mails saudischer Regierungsmitglieder zum Fall Khashoggi weiß. Dass sich ein 59 Jahre alter Journalist mit 15 Leibwächtern prügelt, wie es die neueste Version aus Riad suggeriert, hält Peter King, ein Konservativer aus New York, für so absurd, dass er in bitterem Ton kommentierte: "Ihr braucht wirklich 15 Leute für diesen Mann? Es ist ja nicht so, dass er Mike Tyson wäre."

Guter Kunde Saudi-Arabien

Trump hatte das zunächst anders gesehen. Tagelang hatte er den Kronprinzen Mohammed bin Salman, in dem er einen Garanten für den Erfolg seiner Nahostpolitik sah und womöglich noch sieht, gegen alle Vorwürfe in Schutz genommen. Später begann er leicht auf Distanz zu gehen, offenbar überrascht von der Heftigkeit der Proteste in den eigenen Reihen. Ja, es habe Täuschungsmanöver und Lügen gegeben, räumte Trump ein, als er mit der "Washington Post", für die Khashoggi schrieb, über den Fall sprach.

Wo Trumps Prioritäten liegen, stand nie außer Zweifel. In seinen Augen ist Saudi-Arabien vor allem eines: ein guter Kunde. Voller Stolz spricht er von einem Deal, den er voriges Jahr unter Dach und Fach gebracht hat. Demnach habe Riad Rüstungsgüter für 110 Milliarden Dollar bestellt und insgesamt Waren im Wert von 450 Milliarden Dollar – "der größte Auftrag in der Geschichte unseres Landes, vielleicht sogar der Weltgeschichte". Es gibt Zweifel an den Zahlen, nicht aber an der Entschlossenheit Trumps, an den Rüstungsexporten festzuhalten.

Sowohl der König Saudi-Arabiens als auch sein Thronfolger Mohammed bin Salman sollen in der Nacht auf Montag der Familie des Getöteten kondoliert haben. Nach Angaben der Nachrichtenagentur SPA telefonierte König Salman mit Mitgliedern der Familie Khashoggi. Der Sohn des ermordeten Journalisten habe sich angeblich für das Mitgefühl bedankt.

Trumps Dilemma

Trump steckt nun in einem Dilemma. Ab 4. November sollen US-Sanktionen gegen den Iran wieder greifen, nachdem sie im Zuge des Atomabkommens gelockert worden waren. Trump ist nicht nur aus dem Abkommen ausgestiegen, er hat Teheran zum weltweit führenden Sponsor des Terrorismus gestempelt. Nur ist es schwierig, den Rest der Welt von der Schurkenhaftigkeit der Iraner zu überzeugen und Saudi-Arabien zu einer Bastion der Stabilität zu erklären, wenn die Partner in Riad Mordkommandos in das Nato-Land Türkei schicken. In einem Telefongespräch sollen sich der türkische Präsident Erdoğan und Trump einig gewesen sein, dass sämtliche Aspekte aufgeklärt werden müssten.

Das Weiße Haus, mahnt der republikanische Senator Rand Paul, müsse das Verhältnis zu Saudi-Arabien gründlich überprüfen. Er jedenfalls werde zusammen mit Gleichgesinnten versuchen, das nächste Rüstungsgeschäft zu blockieren. Im vorigen Jahr hätten noch vier Senatorenstimmen gefehlt, um den Deal mit dem Königreich zu verhindern. Beim nächsten Mal, orakelt Paul, "wird die öffentliche Empörung so groß sein, dass wir gewinnen". (Frank Herrmann aus Washington, red, 22.10.2018)