Wien – Der Fadenwurm Caenorhabditis elegans gab die Inspiration für ein künstliches neuronales Netz, das Forscher der Technischen Universität (TU) Wien dazu verwenden, durch eine neuartige Architektur mit nur wenigen Knoten komplexe Aufgaben zu lösen. Einer der Entwickler, Ramin Hasani, stellte das Projekt am Wochenende bei der TEDx-Konferenz in Wien vor.

Das Nervensystem des ungefähr einen Millimeter großen Fadenwurms besteht aus nur rund 300 Nervenzellen (Neuronen). Verschiedene Neuronen bilden Steuerungsnetzwerke für unterschiedliche Funktionen, beispielsweise für die reflexhafte Kehrtwendung des Wurms, wenn er auf ein Hindernis stößt (die sogenannte "tap withdrawal"-Reaktion). Für diese Reaktion ist ein Netzwerk von nur zwölf Neuronen verantwortlich.

So einfach wie möglich

So gut man auch den Aufbau des Nervensystems von C. elegans kennt, so unklar sind noch dessen Details, etwa welches aktivierende oder inhibierende Neuronen sind oder welche Neurotransmitter Signale übermitteln. "Wir haben gesagt, das ist uns egal, und haben uns bemüht, unser Modell so einfach wie möglich zu machen, aber trotzdem die wesentlichen Merkmale der biologischen Neuronen zu behalten", erklärte Radu Grosu vom Institut für Computer Engineering der TU Wien.

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Grosu hat mit seinen PhD-Studenten Ramin Hasani und Mathias Lechner (mittlerweile am Institute of Science and Technology Austria) den für die "tap withdrawal"-Reaktion zuständigen neuronalen Schaltkreis am Computer simuliert. Diesen virtuellen Wurm programmierten sie bereits Anfang dieses Jahres so, dass er einen Stab auf seiner Schwanzspitze balancieren konnte.

Neuer Ansatz

Nun haben sie einen neuen Ansatz für die Programmierung des künstlichen neuronalen Netzes entwickelt, der die zeitliche Entwicklung der Nervensignale völlig anders beschreibt als bisher. Für das Training eines neuronalen Netzes wird üblicherweise ein bestimmter Input geliefert, dann werden die Verbindungen zwischen den Knoten so angepasst, dass schließlich der richtige Output geliefert wird. "Die Zeit spielt bei diesem Vorgang normalerweise keine Rolle", sagte Grosu.

In der Natur gibt es aber sehr wohl zeitabhängige Dynamiken. Die Wissenschafter konstruierten deshalb ein rückgekoppeltes neuronales Netzwerk, bei dem sich die Aktivität der Neuronen und deren Verbindungen mit der Zeit verändern. Mathematisch ließ sich zeigen, dass sich mit dieser Methode Neuronale Netze mit beliebiger Dynamik erzeugen lassen.

Was es zum Einparken braucht

Wie vielseitig dieser neue Netzwerk-Typ ist, demonstrierten die Wissenschafter an dem C. elegans-inspirierten Netzwerk mit zwölf Neuronen. Sie trainierten das Netz, ein Auto einzuparken. "Parken ist ein sequenzieller Prozess: man muss sich erinnern, was man vorher gemacht hat, damit man weiß, was ich danach zu tun habe", so Grosu.

In ihrem Modell gibt es vier sensorische Neuronen, die nicht nur erfassen, wie groß die Parklücke ist, sondern auch, wo sich das Fahrzeug gerade befindet. Acht Neuronen sind für die Kontrolle zuständig, also das Lenken und Beschleunigen des Fahrzeugs, um rückwärts einzuparken. Realisiert haben sie das Ganze nicht nur am Computer, das neuronale Netz steuert auch ein Modellauto in einen Parkplatz.

Für die Wissenschafter zeigt das Modell, dass auf neuronalen Netzen basierende Künstliche Intelligenz mit der richtigen Architektur deutlich leistungsfähiger sein kann als bisher gedacht. In der Natur seien Neuronen noch viel komplizierter, "aber wenn die Rechenleistung weiter zunimmt, könnten wir noch weitere Merkmale von Neuronen in unser Modell integrieren und so noch komplexere Aufgaben bewältigen", so Grosu. (APA, red, 28. 10. 2018)