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Dirigiert packend Mozarts Requiem: Philippe Herreweghe.

Foto: Reuters

Er ist einer der ganz Großen der manchmal noch immer so genannten "Originalklang-Bewegung" – verdienstvoll und einhellig bewundert für seine Bach-Interpretationen und vieles andere: Philippe Herreweghe, der mit seinen Kollektiven, dem Orchestre des Champs-Elysées und dem Collegium Vocale Gent, im Wiener Konzerthaus mit einem ambitionierten Mozart-Projekt gastierte.

Denn neben dem geheimnisumwobenen Requiem setzte er auch noch Mozarts letzte Symphonie aufs Programm. Es ist dies eine markante Kombination des Düsteren mit dem Lichten, die beide Werke durchaus gegenseitig quasi "inspirieren" könnte. Gleich vorweg: Das Publikum jubelte nach beiden Stücken; die Jupiter-Symphonie verdiente den Zuspruch jedoch nur bedingt.

Oberflächlich prickelnd

Natürlich spielte das Orchester gewohnt souverän und versiert bezüglich historisch informierter Klanggebung und Gestik. Was jedoch, besonders in den ersten beiden Sätzen, dabei herauskam, war kaum etwas anderes als eine Mozart-Verfügung aus den 1950er- oder 1960er-Jahren, nur ins "Originalklang"-Gewand getaucht: Kunstgerecht artikuliert, schnurrte das Stück ansonsten ab.

So oberflächlich prickelnd, wie das klang, hätte man es glatt für eine Schaumweinwerbung verwenden können. Objektivistische Werktreue, die immerhin dazu führte, dass das Menuett und das Finale dank ihrer Bauart etwas besser funktionierten, wurde glatte Unverbindlichkeit. Zumindest verglichen damit, wie aufregend andere in den letzten Jahrzehnten mit einem solchen Stück verfahren sind.

Ohne Kühnheiten

Bei Herreweghe erschienen alle Schroffheiten, Reibungen und Kühnheiten wie weggeblasen. Im Grunde derselbe Zugang führte beim Requiem allerdings zu einem grundverschiedenen Gesamteindruck: Ein exzellentes Solistenquartett (Emoke Baráth, Eva Zaïcik, Maximilian Schmitt und Florian Boesch) sorgte für zahlreiche berührende Momente. Wie flexibel und modelliert der Chor sang, war eine Klasse für sich.

Herreweghes buchstabengetreue Umsetzung der Partitur ohne spürbare subjektive Impulse ließ den blockartigen Sakralstil wie eine Kathedrale erstehen – eine Kathedrale freilich, die man wie ein kunstgeschichtliches Museum bewundern und dann wieder erbaut verlassen konnte. (daen, 23.10.2018)