Österreich ist natürlich keine "Nazion", wie es der Sohn eines Landeshauptmanns formuliert hat, um das Wort auch schell wieder zu bedauern. US-Dirigent Leonard Bernstein allerdings, Sohn jüdischer Einwanderer aus der Ukraine, konnte sich nach dem Krieg, 1945, noch nicht so sicher sein.

Und es sollten die 1960er schon ihre Mitte erreicht haben, bis er den Wiener Philharmonikern begegnen sollte. Ihre unrühmliche Nazigeschichte war ja weit entfernt von Aufarbeitung; und Bernstein trug beim Dirigat einen Trachtenjanker ...

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Der Spaßvogel und musikalische Ekstatiker einmal eher ernst: Leonard Bernstein bei einem Interview auf einer Terrasse des Hotels Sacher mit dem Rücken zur Albertina, 1973.
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"Therapie gegen den deutschen Nationalismus"

Er definierte diese markante, skurrile Modevolte als "Therapie gegen den deutschen Nationalismus", und in Briefen aus jenen Tagen schreibt er über Wien: "Es ist hier voller trauriger Erinnerungen, und man hat mit so vielen Ex-Nazis und möglicherweise immer noch Nazis zu tun. Und nie kannst du dir sicher sein, ob nicht einer unter denen, die Bravo schreien, dich vor 25 Jahren einfach erschossen hätte."

Bernstein zog es dennoch in die Donaustadt. Und zu den Philharmonikern entwickelte er eine intensive Beziehung, von der auch diese durch Bild- und Tondokumente belebte Ausstellung Ein New Yorker in Wien im Jüdische Museum (am Judenplatz) erzählt.

Da steht ein verzweifelter Bernstein vor dem Wiener Orchester und klagt: Die Herren Musiker würden die Noten spielen, "was uns aber fehlt, ist Mahler!" Im Übrigen interessiere ihn der Probenzeitplan nicht, er wolle arbeiten, bis er verstanden würde, so Bernstein. Dass Proben impulsive Konzertergebnisse nach sich zogen, ist hier anhand von Hörstationen mit Plattenaufnahmen zu erlauschen.

Gute Beziehungen zu Bruno Kreisky

Auch begegnet einem Heiteres: Dokumente zeigen einen überraschenden Auftritt im ORF, bei Peter Rapps Wurlitzer. Bernstein hatte ein Musikstück auszuwählen, und er entschied sich für Michael Jacksons Thriller. Er trug dabei nicht jenen Frack, der von Otto Perl kreiert wurde, einem Wiener Juden, der nach mehrmonatiger KZ-Haft in die USA fliehen konnte. Auch dieses Kleidungsstück findet sich jedoch ausgestellt.

Die Schau erhellt also – durchaus anschaulich-ironisch – die politischen Hintergründe und einen politischen Künstler. Bernstein unterhielt gute Beziehungen zu Bruno Kreisky. Er achtete darauf, dass Kurt Waldheim nicht in der Loge saß, wenn er in Wien dirigierte. Natürlich Bernstein, der Star, der Witzbold: Er ließ sich von Kanzler Franz Vranitzky einen Lodenwetterfleck schenken. Und in einem Brief an seine Eltern unterschrieb er 1966 mit: "Euer Wiener Schnitzel, Lenny!" (Ljubiša Tošić, 23.10.2018)