Mit "Fabiolous Escape 2" hat der Osttiroler Fabio Wibmer neue Maßstäbe gesetzt.

Foto: Hannes Berger - Red Bull Content Pool

Das Gesicht des 23-jährigen Internetstars kennt hierzulande kaum jemand.

Foto: David Robinson .- Red Bull Content Pool

Ursprünglich kommt Wibmer vom Trialsport.

Foto: David Robinson .- Red Bull Content Pool

Innsbruck – Vormittags beim Bäcker Ruetz in Innsbruck: Fabio Wibmer geht zur Theke, bestellt sich Kaffee und schlendert zum Tisch, wo wir uns zum Interview verabredet haben. Er wohnt gleich um die Ecke. Niemand im Lokal nimmt Notiz von dem 23-Jährigen mit der Red-Bull-Schildkappe. Er schätzt diese Ruhe in Innsbruck, wie er sagt: "Außerdem bin ich hier in 15 Minuten mit dem Radl am Berg." Andernorts begleitet den gebürtigen Osttiroler aus Kals ständiger Rummel um seine Person. Denn Wibmer gilt in der internationalen Bikeszene als Superstar.

Mit dem selbst im Bergdorf Kals gedrehten Video "Fabiolous Escape" schaffte Wibmer 2015 den internationalen Durchbruch.
Fabio Wibmer

Diesen Ruhm hat er sich selbst erarbeitet. Zum Teil mithilfe seines Heimatdorfes Kals, wo er 2015 den Youtube-Clip "Fabiolous Escape" mithilfe von sieben Freunden und den Kindern aus der Nachbarschaft gedreht hat. Im Video, das von einer Flucht vor der Ortspolizei handelt, zeigt Wibmer, was er auf dem Fahrrad alles draufhat. Der Sechsminüter, der bisher über 17 Millionen Mal angesehen wurde, markierte den Beginn einer fabelhaften Social-Media-Karriere. Er gewann damit einen weltweiten Wettbewerb eines Kameraherstellers.

Facebook ist "zu alt" für ihn

Wibmer ist ein Selfmade-Internetstar. Sein Youtube-Kanal zählt heute mehr als 1,8 Millionen Abonnenten und seine Clips über 200 Millionen Views. Er ist damit auf Platz drei der heimischen Youtuber-Liste, wenn man den Konzern Red Bull wegrechnet, der das Ranking anführt. Auf Instagram folgen Wibmer 567.000 Fans. Facebook ist weniger interessant für ihn, da die Zielgruppe dort "zu alt" ist: "Meine meisten Views verzeichne ich bei den 18- bis 24-Jährigen." Und die sind dort nicht mehr zu finden.

2018 folgte "Fabiolous Escape 2", das ungleich aufwendiger produziert wurde als der Erstling.
Fabio Wibmer

Auch seine Inspiration, das Biken zum Beruf zu machen, schöpfte er dereinst aus einem Youtube-Video. Danny MacAskills in der Bikeszene bahnbrechender Streettrial-Clip "Inspired Bicycle" tat bei Wibmer genau das, was der Titel versprach. Heute ist der Osttiroler Partner des Schotten auf dessen Drop and Roll Roadshow.

Rampage als Ziel

Sportlich hat sich Wibmer über die Jahre verbreitert. Er kam vom Trialbiken, kann aber auch Downhill auf absolutem Topniveau, wie er mit dem Staatsmeistertitel 2016 unter Beweis gestellt hat. Eine Rennfahrerkarriere strebt er dennoch nicht an: "Rennsport ist etwas ganz anderes als das, was ich tue." Sein nächstes großes Ziel liegt vielmehr im Freeride-Bereich. Wibmer will als erster Österreicher bei der Rampage starten. Heuer wird er noch Zuseher sein, wenn am kommenden Freitag die besten Freerider der Welt in Utah ihre Tricks zeigen. Aber Wibmer kann sich gut vorstellen, 2019 oder spätestens 2020 selbst am Start zu stehen.

2014 drehte Wibmer "What happened last Sunday". Ebenfalls noch in Eigenregie produziert, ist es eines der stimmungsvollsten Bikevideos aus Österreich.
Fabio Wibmer

Den richtigen Sponsor dafür hat er mittlerweile. Der Osttiroler fährt für Red Bull. Dieser Vertrag sei ein großes Ziel von ihm gewesen: "Das war wie ein Ritterschlag." Das beweisen auch gut platzierte Hinweise in seinen frühen Videos, wo immer wieder eine Getränkedose im typisch silber-blauen Design vorkam.

Biker und Geschäftsmann

Überhaupt ist Wibmer neben seinem sportlichen Talent auch ein erfolgreicher Geschäftsmann. Seinen Regionalsponsor Osttirol Tourismus tauschte er mit steigender Bekanntheit gegen Saalbach-Hinterglemm, was ihm in seiner Heimat Kritik des Tourismusverbandes einbrachte. Um nicht allein von Sponsoren abhängig zu sein, gründete er zudem seine eigene Modelinie unter dem Titel "Sick Series". Zusammen mit seinem Bike-Partner und Wohnungskollegen Elias Schwärzler managt er die Internetversand-Firma vom Wohnzimmer aus.

Die wöchentliche Sick-Series-Reihe dreht Wibmer zusammen mit seinem Partner Elias Schwärzler. Hier beim dritten und letztlich erfolgreichen Versuch, mit dem Fahrrad in die Radarfalle zu tappen.
Fabio Wibmer

Seit nunmehr drei Jahren kann Wibmer allein vom Biken und den damit verbundenen Geschäften leben. Auf Youtube hält er die Fans mit wöchentlichen Folgen seiner Videoserie "Sick Series" bei Laune. Dazu lässt er sich zusammen mit Schwärzler immer wieder sogenannte Challenges, also Herausforderungen, einfallen, die es zu bewältigen gilt. Sei es, mit dem Fahrrad eine Radarfalle zum Auslösen zu bringen, oder sie laden andere Bikeprofis wie Trial-Star Tom Öhler ein, um sich in Geschicklichkeitsübungen zu duellieren.

Arbeiten am Erfolg statt Partyleben

Auch diese Videos werden zur Gänze in Alleinregie und daheim produziert. "Viele können sich gar nicht vorstellen, was für eine Arbeit das ist", erzählt er vom gar nicht so glamourösen Alltag eines Internetstars. Oft wird bis spät nachts gecuttet und produziert. "Wildes Partyleben geht sich daneben nicht aus", sagt Wibmer. Auch sein Studium, für das er ursprünglich nach Innsbruck gekommen war, wird dafür zwischenzeitlich hintangestellt: "Die Chance, als Profi Fuß zu fassen, ist einzigartig, und die will ich nutzen."

Seinen Humor und sein Können stellt Wibmer regelmäßig mit Videos wie diesem, wo er mit einem alten Damenrad den Bikepark Leogang unsicher macht, unter Beweis – inklusive Backflip!
Fabio Wibmer

Mit neuen Ideen und sportlich herausragenden Leistungen schafft es Wibmer immer wieder, für Aufsehen zu sorgen. Zuletzt im Frühjahr 2018 mit der Fortsetzung seines Erfolgsclips "Fabiolous Escape 2". Anders als beim Erstling stand diesmal eine ganze Filmcrew hinter dem Projekt, für das wochenlang auf den Skipisten in Saalbach gedreht wurde. Sogar ein Helikopter war im Einsatz, um die Stunts des Bikers zu unterstützen – er sprang in der Einstiegsszene aus ebendiesem.

Auch dieser Clip hält auf Youtube bei über 17 Millionen Views. Im Video zeigt Wibmer, dass er sich zum Big Mountain Rider gemausert hat, der es mit der Rampage aufnehmen kann. Der weiteste Sprung geht rund 43 Meter – auf einer Skipiste wohlgemerkt. Aber beim Dreh erlitt er auch seine erste gröbere Verletzung. Er war mit dem Sprung aus dem Hubschrauber nicht zufrieden und wollte ihn wiederholen. Bei der missglückten Landung brach er sich das Schlüsselbein.

Internet vs. Realität

Dass sein Job von Gefahren geprägt ist, sei ihm bewusst. Aber: "Ich weiß ganz genau, was ich da tue, und kann die Risiken abschätzen." Zum Nachahmen sei das, was er im Internet zeigt, aber keinesfalls zu empfehlen. Denn dahinter stecke jahrelanges hartes Training.

Während Wibmer gerade unter jungen Bikern als Star gilt, eckt er bei der älteren Generation immer wieder an. Das Konzept des Internetstars ist manchen suspekt. Das führt mitunter zu überzogener Kritik. Als er etwa für seinen Hauptsponsor ein Werbevideo in den Osttiroler Dolomiten drehte, führte seine "nicht Trail-schonende Fahrweise" zu wütenden Kommentaren in manchen Bikeforen.

Die Onlinewelt sei nicht die Realität, gibt Wibmer zu bedenken. Er inszeniere sich dort, und was man sieht, sei nicht unbedingt das, was er ist: "Es liegt bei jedem selbst, was er bereit ist von sich preiszugeben." Wibmer und sein Kompagnon Schwärzler lassen durchaus Blicke in ihre Innsbrucker Wohnung zu. Wer die Stadt kennt, kann recht einfach nachvollziehen, wo genau sie leben. Trotzdem sei das Show: "Man verstellt sich immer vor der Kamera."

Dass er hierzulande nicht die Prominenz eines Marcel Hirscher hat, stört ihn wenig: "Der kann sicher nicht mehr ungestört zum Bäcker ums Eck gehen." Seine Bekanntheit sei dank des Internets "weiter gestreut". Zudem sei Biken nicht mit Skifahren zu vergleichen. Und letztlich ermöglicht ihm dieser Umstand, in Innsbruck ein ruhiges Leben zu führen, was er auch die kommenden Jahre so beibehalten will: "Ich bin hier in 15 Minuten mit dem Radl am Berg. Ich komme vom Land und schätze genau das an dieser Stadt." (Steffen Arora, 23.10.2018)