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Saudi-Arabien geht systematisch mit direkten und indirekten Maßnahmen gegen kritische Stimmen auf Twitter vor.

Foto: REUTERS/Beawiharta

Vergangenes Jahr wurde ein saudi-arabischer Twitteraccount mit dem Namen "Ahmed" gesperrt. Auch der Schriftsteller Khaled al-Alkami kann nicht mehr twittern – er sitzt in Saudi-Arabien seit September 2017 im Gefängnis, so wie die Brüder des in Kanada lebenden Regimekritikers Omar Abdulaziz.

"Ahmed", Al-Alkami und Abdulaziz haben nur eines gemeinsam: Ihre Namen scheinen laut New York Times in einem Bericht der Unternehmensberatungsfirma McKinsey auf.

Der 2017 erschienene, neunseitige Bericht, von dem die "New York Times" eine Kopie besitzen soll, analysiere die Reaktionen auf sozialen Medien, vor allem Twitter, zu jenen Sparmaßnahmen, die 2015 in Saudi-Arabien umgesetzt wurden. Nach Angaben des Blattes folgert McKinsey in dem Bericht, dass es in Bezug auf die Sparmaßnahmen deutlich mehr negative als positive Reaktionen gab; und dass Al-Alkami, Abdulaziz und "Ahmed" zu den tragenden Stimmen gehörten.

McKinsey zeigt sich über die Möglichkeit "entsetzt", dass der Report von Riad benutzt worden sei, um Kritiker zum Schweigen zu bringen. Er sei nur für interne Zwecke mit öffentlich verfügbaren Daten erstellt worden. McKinsey wolle ermitteln, ob und von wem der Bericht geleakt wurde.

11,3 Millionen User

Saudi-Arabien steht nach den USA, Japan und Großbritannien weltweit an vierter Stelle bei der Zahl aktiver Twitteruser – insgesamt sind es 11,3 Millionen – trotz der dort stark eingeschränkten Redefreiheit. Spätestens seit den politischen Umbrüchen von 2011 im arabischen Raum versucht Saudi-Arabien die Internetplattform direkt und indirekt zu kontrollieren, sagt der Saudi-Arabien-Experte Nabil Mouline dem STANDARD. Die mutmaßliche Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul habe globale Aufmerksamkeit auf eine großangelegte Einschüchterungskampagne im Königreich gelenkt.

Khashoggi hatte Saudi-Arabien nach einem Anruf von einem Assistenten des Kronprinzen Mohammed bin Salman (MbS), der ihm jegliche Aktivität auf Twitter untersagen wollte, verlassen. Im Exil wurde Khashoggi gezielt über das Internet attackiert – von Nutzern, die Riad für ihre Dienste bezahlt habe, sagt Mouline.

Die Trollarmee unterstehe weiterhin Saud al-Qahtani, dem ehemaligen Berater von MbS, der am Wochenende für die Ermordung Khashoggis verantwortlich gemacht wurde. Al-Qahtani habe auch "schwarze Listen" über Regierungskritiker angelegt. Dabei habe er auf Twitter dazu aufgerufen, kritische Nutzer mit dem Hashtag "Die schwarze Liste" zu kennzeichnen.

Außerdem werden über Accounts der Troll-Armee viele monarchiefreundliche Nachrichten verbreitet. Am Sonntag wurde der Hashtag "Wir alle haben Vertrauen in Mohammed bin Salman" weltweit am häufigsten geteilt – allerdings oft von Roboterprofilen, sogenannten "Bots", die dann von Twitter gesperrt wurden. (Flora Mory, 23.10.2018)