Wien/Rom – Niemandem, der die Nachrichten der vergangenen Tage zu Italiens Budgetplänen mitverfolgt hat, wäre ein mulmiges Déjà-vu-Gefühl zu verdenken. Die Koalition aus Lega und Fünf-Sterne-Bewegung hat entgegen den Plänen ihrer Vorgänger und den Vorgaben Brüssels ein höheres Budgetdefizit angekündigt. Mit über 130 Prozent der Wirtschaftsleistung ist Italiens Staatsverschuldung die zweithöchste der EU.

Prompt stufte vor dem Wochenende die Ratingagentur Moody's ihre Bonitätsbewertung Italiens herab. Wiederholt sich die Geschichte, oder steht Italien robuster da als während der Zeiten der Eurokrise? Das hängt von mehreren Faktoren ab.

· Schuldenlast Die Rendite der zehnjährigen italienischen Staatsanleihen ist zeitweise auf dem höchsten Stand seit viereinhalb Jahren gestiegen. Rom muss daher Investoren höhere Zinsen bieten, um an frisches Geld zu kommen. Das belastet die Staatskassen noch zusätzlich. Der von Vizepremier Matteo Salvini jüngst belächelte Risikoaufschlag (Spread) der zehnjährigen Papiere im Vergleich zu deutschen Staatsanleihen lag zwischenzeitlich so hoch wie zuletzt 2012, aber noch deutlich unter den Spitzenwerten der turbulentesten Monate während der Eurokrise.

Nervosität der Gläubiger

Die Höhe der Zinsen lässt auf Nervosität bei den Gläubigern schließen, deren Zusammensetzung in den vergangenen Jahren hat sich aber verändert.

· Schuldner Der Anteil ausländischer Gläubiger Italiens ist von knapp 45 Prozent vor der Finanzkrise auf mittlerweile rund 30 Prozent gesunken. Rom ist also zu über zwei Dritteln im Inland verschuldet. Außerdem sind seit dem Start des Anleihenkaufprogramms der Europäischen Zentralbank (EZB) 2015 die ausländischen Gläubiger seltener absprungwillige Fondsmanager, dafür vermehrt institutionelle Investoren wie Notenbanken.

Auch im Inland halten Bürger und Firmen einen geringeren Anteil der Staatsschuld, dafür hat die italienische Notenbank über 15 Prozent aller Staatsschulden in den Büchern. Fast die Hälfte der Staatsschuld liegt bei den italienischen Banken, Versicherungen und Pensionsfonds. Dorthin hat sich auch das Risiko verlagert. Zwar ist es für Rom positiv, weniger fluchtgefährdete Gläubiger zu haben. Gleichzeitig würde eine neue Schuldenkrise im Inland mehr Schaden anrichten, wie der Druck auf Italiens Banken zeigt.

Bankaktien unter Druck

· Finanzsektor Fast spiegelbildlich zum steigenden Risikoaufschlag fielen italienische Bankaktien; seit dem Antritt der italienischen Koalition verlor der wichtigste Bankenindex fast 15 Prozent. Viele italienische Banken haben ihre Bücher mit Staatspapieren aufgepeppt, weil sie damit in den Augen von Regulatoren ihre Eigenkapitalpolster schonen. Sinkt das Vertrauen in Italiens Zahlungsfähigkeit, steigt aber auch das Risiko, dass Italiens Banken getroffen werden.

· Bonität Trotz alledem reagierten die Märkte am Montag verhalten positiv auf die jüngste Bonitätssenkung Italiens. Die Herabstufung fiel nämlich weniger schlimm aus als erwartet. Die Agentur Moody's hielt ihre Aussicht nämlich "stabil" über Ramschniveau. Damit hoffen Marktteilnehmer, dass italienische Staatspapiere weiter ein Mindestmaß an Bonität behalten, die es institutionellen Investoren erlaubt, sie zu kaufen und andere Anleger zufriedenstellt. Manche vermuten dahinter eine Beruhigungspille. Die Aussicht Italiens sei alles andere als stabil, wie ein Marktbeobachter sagt.

· EZB Ein Fragezeichen steht über der Rolle der EZB bei einer künftigen Krise. EZB-Chef Draghi hatte einst mit den Worten "whatever it takes" die Märkte beruhigt. Skeptiker sehen aber sein Pulver mittlerweile verschossen. (slp, 23.10.2018)