Der heimische Musikmarkt setzt erstmals mehr durch Onlinedienste als durch klassische CDs um.

Foto: APA/Pfarrhofer

Es wird immer schwieriger, Musik-CDs zu kaufen. In den letzten Jahren wurden die Verkaufsflächen in den großen Elektro- und Handelsketten radikal reduziert, weil hierzulande immer mehr Kunden die Audiostreaming-Angebote von Spotify, Amazon oder Apple nutzen. Dadurch wird der Musikmarkt völlig auf den Kopf gestellt.

Im ersten Halbjahr 2018 wurde mit digitalen Diensten erstmals mehr Geld eingenommen als durch den Verkauf von CDs. Laut den Zahlen des heimischen Verbands der Musikwirtschaft (Ifpi) verbuchten Spotify und Co ein stolzes Umsatzplus von 61,1 Prozent und erwirtschafteten 23,2 Millionen Euro. Gleichzeitig brach das Geschäft mit CDs um 15 Prozent ein. Lediglich Fans von Schlagern und Volksmusik nutzen kaum Streamingangebote. In Schweden sind Onlinedienste bereits seit 2012 umsatzstärkster Bereich, in Nordamerika seit 2015.

Radios unter Druck

Gleichzeitig geraten auch Radiostationen unter Druck. Sie verlieren scharenweise Hörer an Spotify und Co. Laut einer aktuellen Prognose der Medienberatung Goldmedia werden Streaminganbieter in gut einem Jahr allein mit ihren Abo-Umsätzen mehr Geld einnehmen als alle deutschen Radiosender durch Werbung. Dazu kommt, dass Spotify und Youtube mit ihren werbefinanzierten Angeboten PR-Budgets abziehen. In Österreich wirbt etwa der Mobilfunker "3" intensiv auf Spotify. "Wir erreichen damit eine sehr attraktive Zielgruppe", erklärt Pressesprecher Tom Tesch.

Die Streaming-Revolution wurde vor rund zehn Jahren in Schweden gestartet. Als am 7. Oktober 2008 Spotify in mehreren europäischen Ländern online ging, war das Unternehmen bei weitem nicht der erste Streamingdienst. Plattformen wie Rhapsody oder das als legales Angebot wiedergeborene Napster versuchten bereits seit Jahren das Modell zu etablieren. Die Idee, für eine monatliche Gebühr Zugang zu Katalogen mit Millionen Songs zu bekommen, schien zwar attraktiv, wurde aber von Problemen bei der Umsetzung gebremst.

Revolution startete mit Spotify

Spotify jedoch ging genau zur richtigen Zeit an den Start: Apples iPhone ebnete den Weg für das Smartphone als allgegenwärtigen mobilen Computer – und der Ausbau des mobilen Internets lieferte die ständige Verbindung. Dennoch musste die Firma viele Widerstände überwinden.

Ein zentraler Streitpunkt war, dass Gründer Daniel Ek an ein sogenanntes "Fremium"-Modell glaubte: Spotify kann zum einen kostenlos genutzt werden, auch wenn man dabei Werbeunterbrechungen und Einschränkungen beim Überspringen von Songs in Kauf nehmen muss. Es gibt aber auch eine Bezahlvariante. Eks These: Mit einem Kostenlos-Modell kann man die Nutzer zunächst auf die Plattform holen und mit der Zeit eventuell davon überzeugen, für ein Abo zu bezahlen. Der vom Trauma der ausufernden Onlinepiraterie gezeichneten Musikindustrie war dieser Ansatz zunächst nicht geheuer.

Geduld nötig

Denn das Konzept bedeutete auch, dass Künstler und Musikkonzerne Geduld haben und sich über Jahre mit mageren Erlösen aus der Gratisversion von Spotify begnügen mussten. Musiker wie Talking-Heads-Frontmann David Byrne und Thom Yorke von Radiohead beschwerten sich über mickrige Vergütung für Millionen Abrufe, Taylor Swift zog zeitweise medienwirksam ihre Musik von Spotify ab. Viele Künstler können sich mit diesen Einnahmen nicht einmal ein Streaming-Abo leisten. Allerdings haben viele Künstler ihren Boykott beendet. Als eine der letzten Bands vermeldeten nun selbst die Punkrocker Die Ärzte: "Um auch in Zukunft eine weltumspannende ganztägige Versorgung mit echter Die-Ärzte-Musik zu gewährleisten, bieten wir ab dem 16. November 2018 alle nicht verbotenen Die-Ärzte-Alben auch zum Streamen an."

Auf lange Sicht hat Ek recht behalten: Spotify hat inzwischen 83 Millionen zahlende Abo-Kunden bei 180 Millionen Nutzern insgesamt. Damit ist der schwedische Dienst die klare Nummer eins im Streaminggeschäft – vor Apple, das getragen vom iPhone-Marktanteil auch ohne eine Gratisversion auf mehr als 50 Millionen Abo-Kunden kommt. (Markus Sulzbacher, 23.10.2018)