Vom Steinbeil zum Schwert: die Gewaltspirale des Krieges, dargestellt in Form der immer höher entwickelten Mordwaffen.

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Ein Keulenschlag beendete vor mehr als 3200 Jahren im Tollense-Tal das Leben des Besitzers dieses Schädels. Nicht immer ist die Todesursache so offensichtlich wie in diesem Fall.

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Auf einem Feld in Lützen wurden die Überreste der Opfer einer Schlacht zwischen schwedischen und kaiserlichen Truppen gefunden.

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Das Massengrab wurde in monatelanger Kleinarbeit untersucht und präpariert.

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Mit forensischen Untersuchungen konnten unter anderem Kopfschüsse als Todesursachen dokumentiert werden. In manchen Fällen befand sich die tödliche Kugel noch im Schädel.

Foto: LDA Sachsen-Anhalt

Das Massengrab von Lützen dominiert als Mahnmal für die Sinnlosigkeit des Krieges die Ausstellung.

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Der Maler Peeter Snayers (1592–1666) verewigte die Greuel der Schlacht bei Lützen.

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Drei Räume in der pathologisch-anatomischen Sammlung des NHM im Narrenturm ergänzen die Ausstellung im Haupthaus. In dieser Vitrine sind Gesichtsverletzungen durch Schüsse dokumentiert.

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Wir haben das Feuer nicht entfacht, weiß Billy Joel: Es hat immer schon gebrannt, seit sich die Erde dreht.

Das Phänomen Krieg begleitet die Menschheit seit ihrer Entstehung. Parallel zu der Entwicklung der Menschen erfuhren auch die Technik und die Kultur des Kriegs eine Evolution. Dieser widmet sich eine neue Sonderausstellung des Naturhistorischen Museums Wien (NHM), die seit Mittwoch zu sehen ist. "Krieg. Auf den Spuren einer Evolution" spannt den Bogen der kriegerischen Gewalt von unseren nächsten Verwandten, den Schimpansen, über unsere ältesten menschlichen Vorfahren bis in die Neuzeit.

Übernommen wurden Teile der Ausstellung vom Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle, wo 2015/2016 die Ausstellung unter dem Titel "Krieg – eine archäologische Spurensuche" lief. Das NHM hat den Bestand der Halleschen Ausstellung mit zahlreichen Stücken aus den eigenen Beständen ergänzt und ausgebaut. Für Harald Meller, den Direktor des Museums in Halle, haben seine Wiener Kollegen die Ausstellung "genauso schön" gestaltet wie das Original in Sachsen-Anhalt: "Schöner darf ich nicht sagen."

Die Schau in Wien stellt aktuelle Bezüge zu zwei der grauenvollsten Kriege her: Vor hundert Jahren endete der Erste Weltkrieg, vor vierhundert Jahren begann der Dreißigjährige Krieg.

Die Ausstellung befasst sich mit der Frage, ob Krieg etwas ist, das in die menschliche Natur eingeschrieben ist, so Meller, oder ob es kulturell bedingt und daher änderbar ist. Von Schimpansen ist bekannt, dass sie territoriale Konflikte gewaltsam gegen andere Gruppen austragen. Auch wenn dadurch durchaus Eroberungen die Folge sein können, kann dies wohl noch nicht als Kriegsführung im eigentlichen Sinne gelten. Der früheste Hinweis auf gezielte Gewalt gegen einen Menschen ist ein Schädel aus der spanischen Höhle Sima des los Huesos in der Sierra de Atapuerca. Vor 430.000 Jahren war hier offenbar ein Mensch erschlagen worden – zwei nebeneinanderliegende gleichförmige Löcher lassen kaum einen anderen Schluss zu.

Neolithische Konflikte

Doch erst mit der Sesshaftigkeit der Ackerbauern in der Jungsteinzeit erreichte die zwischenmenschliche Gewalt die Dimension des Krieges. Die Lebensweise der sesshaften Bauern brachte eine Neuerung mit sich: den Grundbesitz. Ein Anstieg der Bevölkerung und eine durch soziale Unterschiede bedingte hierarchische Gliederung bildeten die Zutaten für Konflikte – Änderungen im Klima führten so rasch zu Gewaltausbrüchen.

In Niederösterreich ist dieses Szenario dokumentiert: In Schletz bei Asparn an der Zaya kam es vor 7.000 Jahren zu einem Massaker an den Einwohnern eines Dorfes. Mindestens 50 Personen – hauptsächlich Männer, aber auch Kinder und ältere Frauen – wurden hier erschlagen und im Graben des Dorfes unbestattet liegengelassen. Jüngere Frauen fanden sich nicht unter den Opfern. Zu dieser Zeit ist ein Anstieg der Temperaturen nachweisbar, was zu Nahrungsknappheit geführt haben könnte.

Während in Schletz noch bäuerliche Gruppen mit ihren Werkzeugen und Jagdwaffen gegeneinander kämpften, entwickelte sich spätestens in der Bronzezeit das Berufsbild des Kriegers – parallel dazu wurde auch mit dem Schwert die erste Waffe geschaffen, die im Gegensatz zu Bögen, Keulen oder Beilen ausschließlich zum Töten von Menschen dient.

Schlacht im Tollensetal

In Mecklenburg-Vorpommern liegt das älteste bekannte Schlachtfeld Europas. Im Tal der Tollense wurden ab Mitte der 1990er-Jahre die Überreste zahlreicher Menschen gefunden. Viele aufgefundene Knochen wiesen Spuren tödlicher Gewalt auf, in manchen fanden sich noch Pfeilspitzen, aber auch Keulen und Schwerter kamen zum Einsatz. Zwei bronzezeitliche Gruppen scheinen hier vor rund 3.250 bis 3.300 Jahren an einem Flussübergang aneinandergeraten zu sein. Über mehr als einen Kilometer erstrecken sich den Fluss entlang Kampfschauplätze. Die Forscher gehen mittlerweile von hunderten, vielleicht sogar mehr als tausend Toten aus. Dieser Konflikt geht also weit über ein lokales Scharmützel hinaus: Hier waren tausende Bewaffnete beteiligt. Die Schlacht an der Tollense fällt in eine Zeit, in der Ressourcen wie Metalle im nördlichen Mitteleuropa knapp wurden. Auch das Klima verschlechterte sich deutlich.

Annähernd zeitgleich zur Tollenseschlacht fand an einem anderen Schauplatz einer der berühmtesten Waffengänge der Geschichte statt: Bei Kadesch am Orontes kämpften im Jahr 1274 vor unserer Zeitrechnung die Soldaten Pharao Ramses II. gegen die Truppen des Hethiterkönigs Muwattalli II. – zehntausende Soldaten und tausende Streitwagen waren im Einsatz. 15 Jahre später schloss Ramses II. mit Muwattallis Bruder Hattusili III. Frieden: Der ägyptisch-hethitische Friedensvertrag ist das älteste derartige Dokument. Eine Kopie steht heute in der UN-Zentrale in New York. Auch die Ausstellung im NHM widmet sich diesem Vertrag.

Mahnmal eines sinnlosen Gemetzels

Im Jahr 2011 war bei Lützen in Sachsen-Anhalt das Massengrab von 47 Soldaten geborgen worden. Diese waren im Jahr 1632 bei der Schlacht zwischen den kaiserlichen und den schwedischen Truppen gefallen – gemeinsam mit mehr als 6.000 anderen Männern. Die Schlacht von Lützen war eine der größten und blutigsten des Dreißigjährigen Krieges.

Das Massengrab mit den 47 Opfern erstreckte sich auf sieben mal sechs Metern Fläche, der geborgene Block des Massengrabes wog rund 55 Tonnen. In monatelanger Kleinarbeit wurden die Toten forensisch untersucht und das Grab zu einem Mahnmal für das sinnlose Sterben im Krieg präpariert. In der Ausstellung bildet das Grab das zentrale Stück, Meller vergleicht es in der Eindringlichkeit seiner Wirkung mit dem Picasso-Gemälde "Guernica".

Die Leichen waren nach der Schlacht von der ansässigen Bevölkerung begraben worden, dabei wurde den Toten das Wenige abgenommen, was die Soldaten nach dem Plündern übriggelassen hatten. Deswegen geben die Überreste der Soldaten keinerlei Auskunft, auf wessen Seite sie in der Schlacht gekämpft und für wen sie ihr Leben gelassen haben. Der letzte Tote, der in die Grube gelegt wurde, wurde in der Haltung eines Gekreuzigten drapiert. Mit anthropologischen Untersuchungen lässt sich dennoch vieles über die Toten herausfinden, angefangen vom Alter über durchlittene Krankheiten, Verletzungen und Hungersnöte. Mithilfe von Isotopenanalysen des Zahnschmelzes lassen sich jene Regionen herausfinden, in denen die Menschen aufgewachsen sind und gelebt haben, auch über Ernährungsgewohnheiten lässt sich so einiges feststellen.

Begleitprogramm

Die Ausstellung im NHM wird mit der gleichzeitig stattfindenden Schau "Medizin im Ersten Weltkrieg" der pathologisch-anatomischen Sammlung im Narrenturm ergänzt. Der Fokus liegt hier auf medizinischen Behandlungsmethoden an der Front, den Anfängen der plastischen Chirurgie. Auch die Leistungen Lorenz Böhlers werden gewürdigt, der hier in Wien der modernen Unfallchirurgie den Weg bereitet hat.

Begleitet wird die Sonderausstellung von einem reichhaltigen Rahmenprogramm. Die Themen einer Vortragsreihe und von Spezialführungen reichen von der Frage, ob und wie man das Thema Krieg illustriert, ohne in Effekthascherei zu verfallen, bis hin zu Tieren, die zu Kriegseinsätzen herangezogen wurden. In mehreren Workshops können sich Interessierte im Rahmen einer Friedenswerkstatt mit den Folgen von Kriegen befassen.

Auch multimedial wird die Ausstellung aufbereitet: Auf seiner Webseite informiert das Museum erstmals parallel zur Ausstellung mit einem eigenen Blog. Innerhalb der Schausäle können mithilfe von QR-Codes zusätzliche Informationen abgerufen werden. Zum Thema "Make Love not War" läuft ein Instagram-Fotowettbewerb zur Ausstellung. Bilder können mit dem Hashtag #NHMLoveNotWar eingereicht werden.

Speziell an Jugendliche bis 14 Jahre richtet sich der jährliche "Alfred Fried Children Photography Award". Ausgewählte Fotos zum Thema Frieden werden im NHM in einem eigenen Saal präsentiert. Und im Wiener Filmmuseum werden im Jänner und Februar 2019 schließlich ergänzend zur Ausstellung ausgewählte thematisch passende Filme gezeigt. (Michael Vosatka, 25.10.2018)