"Ich bin skeptisch" war einer seiner Lieblingskommentare zu wissenschaftlichen Sachverhalten. Diese Skepsis wusste Robert Heine-Geldern dann aber immer profund und mit eloquenter Sprache zu begründen. Dass er dabei stets höflich blieb, war für den Wiener Gelehrten von Weltruf selbstverständlich.

Großneffe des Dichters Heinrich Heine

Robert Heine-Geldern war ein Großneffe des bekannten deutschen Dichters Heinrich Heine. Seinen Großvater Gustav Heine hatte es von Düsseldorf über Umwege in die Kaiserstadt gezogen, wo er in die österreichische Armee eintrat und zum katholischen Glauben konvertierte. 1870 wurde er in den Rang eines "Freiherrn" erhoben, mit dem Namen "Geldern", dem Familiennamen seiner Mutter.

1885 in Grub in Niederösterreich geboren, besuchte er das k.k. Franz-Joseph-Gymnasium in Wien (heute Gymnasium Stubenbastei). Seine wissenschaftlichen Ausgangspunkte waren Kunstgeschichte und Archäologie. Eine Studienreise in jungen Jahren (1910–1911) ins östliche Indien und nach Birma (heute Myanmar) erweckte sein Interesse für die Ethnologie im Allgemeinen und für die Vielfalt der ethnischen Gruppen Südostasiens im Besonderen.

Robert Heine-Geldern (aus "Current Anthropology", 1969).
Foto: ÖAW

Österreichische Pionierarbeiten zu Südostasien

Ein gutes Jahrzehnt später, 1923, publizierte er einen rund 300 Seiten langen Beitrag mit dem Titel "Südostasien" und initiierte damit eine eigene Subdisziplin für die anthropologischen Fächer. Indonesienforscher berufen sich noch heute auf dieses Pionierwerk, das damals einen ersten Überblick über die vielfältigen Lebensformen im vormodernen festländischen und insularen Südostasien bot. An der Universität Wien konnte er sich 1925 habilitieren; 1931 wurde ihm die außerordentliche Professur verliehen. Der wissenschaftliche Ruf des jungen akademischen Lehrers war inzwischen international so bekannt geworden, dass er für die vierzehnte Ausgabe der "Encyclopaedia Britannica" für die Beiträge über die Prähistorie und Archäologie Indonesiens herangezogen wurde.

Den Nationalsozialisten war das gleichgültig. Heine-Geldern war am 15. Jänner 1938 zur Durchführung einer wissenschaftlichen Vortragsreise in die USA ausgereist. Nach dem "Anschluss" Österreichs an NS-Deutschland wurde ihm die Venia an der Universität Wien aufgrund des "Arier-Paragraphen" aberkannt, weswegen Heine-Geldern erst elf Jahre später wieder nach Wien zurückkehrte. Das "Ahnengutachten" für seine jüdische Herkunft hatte der neue Dekan der Philosophischen Fakultät Viktor Christian erstellt. Die beiden Fachkollegen kannten einander seit über zwanzig Jahren.

Bildung einer österreichischen Exilregierung in den USA scheitert

Der Vertriebene kam in New York am Department of Anthropology des American Museum of Natural History unter. Diese wissenschaftliche Stelle reichte allerdings kaum zum Leben. Trotz dieser prekären Situation – erst 1943 erhielt er eine Professorenstelle am Asia Institute in New York – entfaltete Heine-Geldern ein starkes Engagement in österreichischen Exilorganisationen. Im April 1939 gründete Heine-Geldern gemeinsam mit Irene Harand die "Austrian-American League", eine Exilorganisation, die eng mit Otto von Habsburg zusammenarbeitete. Gemeinsam mit Habsburg setzte sich Heine-Geldern für die Bildung einer österreichischen Exilregierung in den USA ein, deren Bemühungen letztlich aber scheiterten. 1942 bis zum Kriegsende war er als engster Mitarbeiter des ehemaligen Ministers Hans Rott in der Leitung des "Free Austrian Movement" tätig, die zu den größten österreichischen Exilorganisationen zählte.

Heine-Geldern war leitendes Mitglied der "Free Austrian Movement" in den USA (aus dem Report of the Attorney General to the Congress of the United States on the Administration of the Foreign Agents Registration Act of 1938).
Foto: ÖAW

Rückkehr ins Nachkriegsösterreich

Heine-Geldern kehrte 1949 nach Österreich zurück. An der Universität Wien erhielt er zunächst eine Gastprofessur für "Prähistorie und Kunstgeschichte und Völkerkunde Asiens", 1950 eine außerordentliche Professur, die allerdings erst 1957 in seinem letzten Dienstjahr in eine ordentliche Lehrkanzel umgewandelt wurde.

Heine-Geldern vermochte es durch seine internationalen Beziehungen dem Institut für Völkerkunde in Wien weltweite Kontakte zu verschaffen. Richtungsweisend war die Kooperation mit der Unesco, die er 1956 mit der Gründung und Leitung des Internationalen Komitees für dringende ethnologische Forschungen in Wien beauftragte. Ganz entscheidend war auch seine Verbindung zur Wenner-Gren Foundation for Anthropological Research in New York. So kam es, dass die internationale Forschungsstiftung ab 1958 eine europäische Niederlassung auf Burg Wartenstein in Niederösterreich einrichtete, wo bis 1980 insgesamt 86 interdisziplinäre Tagungen abgehalten wurden.

Anthropologischer "Nobelpreis"

Heine-Geldern war wirkliches Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Mitglied des Royal Anthropological Institute und der Royal Asiatic Society London, der Ecole Française d'Extrème Orient sowie Mitglied zahlreicher weiterer wissenschaftlicher in- und ausländischer Gesellschaften. Die höchste Auszeichnung erhielt Heine-Geldern 1962 durch die Verleihung der "Viking-Fund Medaille". Es war dies das erste und bisher einzige Mal, dass der "Nobelpreis" für anthropologische Disziplinen an einen Österreicher vergeben wurde. (Peter Rohrbacher, 24.10.2018)