Google-Bilder liefern – wenig überraschend – besonders große Unterschiede. Links ein normales Selfie mit einem aktuellen iPhone, rechts ein Night-Sight-Selfie mit der Weitwinkel-Kamera des Pixel 3.

Foto: Google

Es war eines der Highlights bei der Vorstellung des Pixel 3: Unter dem Namen "Nachtsicht" demonstrierte Google ein neues Feature für seine Smartphone-Kamera, das auch dann noch ansehnliche Bilder liefern soll, wenn kaum mehr Licht vorhanden ist. Das Problem dabei: Zum Marktstart des Pixel 3 suchte man dieses Feature noch vergeblich, Google vertröstete auf eine Veröffentlichung im November.

Ausprobieren

Ganz so lange müssen Interessierte allerdings jetzt nicht mehr warten: Ist es doch einem Android-Entwickler gelungen durch eine minimale Modifikation des Pakets (APK) der Google Kamera die "Nachtsicht" freizuschalten. Diese angepasste Variante wurde bei XDA Developers veröffentlicht, womit sie auch selbst bereits ausprobiert werden kann. Voraussetzung ist allerdings ein Pixel-Smartphone erfreulicherweise aber nicht nur der aktuellsten Generation: Die "Nachtsicht" funktioniert auch mit Pixel 1 und 2. Die modifizierte App wird parallel zur eigentlichen Google-Kamera installiert.

In einem kurzen Test liefert dieser neue Modus – für ein Smartphone – tatsächlich verblüffende Ergebnisse. Die Nachtsicht-Fotos erfassen viele Details, die auf einer normalen Aufnahme nicht mehr zu sehen sind – und auch mit dem freien Auge kaum mehr wahrzunehmen sind. Auch das Rauschen wird durch diesen Modus erheblich reduziert. Wer hier ein realistisches Abbild erwartet, wird aber enttäuscht werden: Die Aufnahmen sind erheblich heller als das reale Geschehen. Und das durchaus auch mit Absicht wie Google betont, immerhin wolle man hiermit auch dann, wenn es fast schon dunkel ist, ansehnliche Bilder liefern. Realismus ist dabei nicht das oberste Ziel.

Ein Testfoto mit den Standardeinstellungen des Pixel 3 XL.
Foto: Andreas Proschofsky / DER STANDARD
Die selbe Aufnahme mit dem Nachtsichtmodus. Das Ergebnis entspricht zwar nicht der Realität, liefert aber auch erheblich mehr Details.
Foto: Andreas Proschofsky / DER STANDARD

Technische Details

Wie das möglich wird, hat das Unternehmen vor kurzem bereits in einem Gespräch mit DPreview verraten. Für den "Night Sight"-Modus nutzt Google eine deutlich längere Belichtungszeit – so weit, so erwartbar. Das hat aber üblicherweise den Nachteil, dass solche Aufnahmen bei Handhaltung fast immer verwackelt werden. Also nimmt Google nicht ein sehr langes Foto auf, sondern kombiniert bis zu 15 Frames, die jeweils wiederum mit einer Belichtungszeit von bis zu 1/3 Sekunde getätigt wurden. Das hat den Vorteil, dass die Chance, dass mehrere Frames scharf sind, erheblich höher ist. Diese werden dann als Basis für das fertige Bild herangezogen, aus den anderen Frames kann man noch immer Zusatzinformationen schließen. Aus all dem wird dann mithilfe von Maschinenlernen ein gemeinsames Foto erstellt. So nutzt man die neuronalen Netzwerke etwa um einen Weißabgleich herzustellen, der sonst bei so wenig Licht kaum mehr möglich ist. Auch die Farben werden auf diesem Weg angepasst.

Noch ein Vergleich in fast vollständiger Dunkelheit: Pixel 3 XL mit Default-Kamera.
Foto: Andreas Proschofsky / DER STANDARD
Pixel 3 XL mit Nachtsicht.
Foto: Andreas Proschofsky / DER STANDARD

Ruhige Hand

Für die Nutzer heißt all das, dass sie ein paar Sekunden warten müssen, bis so eine Aufnahme im Nachtsichtmodus fertig ist. Eine unruhige Katze kann man damit natürlich nicht fotografieren, für statische Motive funktioniert das Ganze aber auch bei Handhaltung sehr gut. Da es sich bei all dem um einen reinen Softwaretrick handelt, funktioniert das Ganze übrigens auch mit der Frontkamera. Wie gut das zu erzielende Ergebnis ist, hängt natürlich trotzdem auch von der Hardware ab: So kommt beim Pixel 3 natürlich bessere Sensoren zum Einsatz als es noch bei den Vorgängerversionen der Fall war. Zu Erreichen ist das neue Feature über das "Mehr"-Menü in der neuen Kamera-App. Zudem rät die Google-Kamera aber auch aktiv zum Wechsel auf diesen Modus, wenn es besonders dunkel ist.

Disclaimer

Angemerkt sei, dass die inoffizielle App manuell installiert werden muss – was natürlich immer mit einem gewissen Sicherheitsrisiko einhergeht, auch wenn das Paket in diesem Fall unproblematisch sein dürfte. Wer trotzdem auf Nummer sicher gehen will, braucht aber wohl ebenfalls nicht mehr allzu lange warten. Der aktuelle Zustand dieses Features legt nahe, dass schon bald eine offizielle Veröffentlichung folgen wird. (Andreas Proschofsky, 23.10.2018)