Nachbau eines Reclam-Bücherautomaten, wie er in den Jahren 1912 bis 1917 unter anderem auf Bahnhöfen zu finden war.

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Leipzig – Seit mehr als 50 Jahren sammelt Hans-Jochen Marquardt die kleinen, handlichen Hefte. "Reclams Universal-Bibliothek" hatte es ihm bereits als Jugendlicher angetan. Aus der ganzen Welt trug er bis heute Hefte zusammen, vor allem aus Europa, aber auch aus Australien und Südafrika. Nun erfüllt sich ein Traum von ihm: Am Mittwoch öffnet in Leipzig das erste Reclam-Museum.

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Hans-Jochen Marquardt, Vorsitzender des Literarischen Museums und Initiator der Reclam-Ausstellung, mit einer Ausgabe der Reclam Wochenend-Bücherei, die zwischen 1927 und 1930 in einer Blechkassette auf den Markt kam.
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"Mich hat fasziniert, wie Literatur für wenig Geld weiten Teilen der Bevölkerung zugänglich gemacht wurde", sagt der heutige Pensionist (Jahrgang 1953) zu seiner Leidenschaft. "Reclam wurde in den Mansarden für Dienstpersonal ebenso gelesen wie in den Salons".

Vor allem der 2011 gegründete gemeinnützigen Verein "Literarisches Museum" hat sich für die Reclam-Schau stark gemacht. Anliegen sei es, die Erinnerung an den Verleger Anton Philipp Reclam (1807-1896) in der Stadt lebendig zu halten, in welcher der Verlag gegründet wurde, so der Verein.

Blickfang der Ausstellung ist ein riesiger Kasten mit historischen Reclam-Ausgaben bis zum Jahre 1945. "5.500 Hefte enthält er und sehr viel mehr gehen auch nicht hinein", sagt Marquardt. Mehr als 10.000 Hefte aus der Leipziger und Stuttgarter Produktion insgesamt sind im Museum zu sehen. Dabei werden die wechselnden Gestaltungsarten und Formate der ältesten noch existierend deutschsprachigen Taschenbuchreihe aufgezeigt.

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Farbenfrohen Buchrücken verschiedener Reclam-Hefte sind in einem Regal in der Ausstellung des Reclam-Museums in Leipzig zu sehen. Das neue Reclam-Museum zeigt mehr als 10.000 Hefte der Leipziger und Stuttgarter Produktion.
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"Doch wir wollen auch Lesungen und Vorträge bieten, eine Zusammenarbeit mit der Leipziger Buchmesse ist ebenfalls geplant", sagt Marquardt. Er ist gebürtiger Leipziger und lebt heute in Halle.

Als erstes Heft der Universal-Bibliothek erschien am 10. November 1876 Goethes "Faust. Der Tragödie erster Teil". Das erste edierte Heft sei jedoch nicht das erstgedruckte der Reihe gewesen, erläutert der studierte Germanist Marquardt. Bereits im März 1865 sei "Romeo und Julie" von W. Shakespeare – so das Titelblatt der damaligen Ausgabe – gedruckt worden. Das meistverkaufte Buch der Reihe sei "Wilhelm Tell" von Friedrich Schiller.

Ein weiterer Hingucker in der Schau ist der Nachbau eines Reclam-Bücherautomaten – eine Dauerleihgabe des Verlages Philipp Reclam jun. Stuttgart. Sie wurden vor allem in den Jahren 1912 bis 1917 an öffentlichen Orten wie Bahnhöfen und Krankenhäusern aufgestellt. Die Interessenten konnten dabei zwischen zwölf Titeln wählen.

Der Reclam-Verlag wurde 1828 in Leipzig von Anton Philipp Reclam gegründet. Nach dem Zweiten Weltkrieg führte die DDR Reclam als Staatsbetrieb weiter. Die teilweise enteignete Verleger-Familie ging in den Westen und es kam zur Spaltung des Verlags. Nach der Wiedervereinigung firmierte Leipzig als Zweigstelle des Stuttgarter Unternehmens. Im März 2006 wurde das einstige Stammhaus in Leipzig geschlossen. (APA, 23.10.2018)