An der erneuten Feudalisierung Ungarns dürfte lediglich ein enger politischer Kreis interessiert sein. Dabei werden nämlich die Beziehungen zu westlichen Verbündeten untergraben. Das Netzwerk der Geheimdienste der früheren Sowjetunion wirkt bis heute intensiv, sowohl auf die Politik Russlands als auch auf die von Ungarn. In der westlichen Welt hat man registriert, dass die politische Elite des EU-Mitglieds Ungarn ihr Land nicht mehr in Richtung Rechtsstaat und Transparenz, sondern der für Mittelasien typischen Zustände navigiert. In der Tat nähern etwa die Technik der Machtausübung sowie die Auffassung von einem Rechtsstaat Ungarn immer mehr an die despotischen Machtstrukturen der Türkei, Aserbaidschan und Russland an.

Viktor Orbán hat sein Volk bis heute nicht darüber informiert, wie weit er auf dem Richtung Moskau eingeschlagenen Weg gehen will. Geht es dabei nur um eine flüchtige Liebesbeziehung oder sogar um eine Eheschließung? Diese Frage ist absolut berechtigt, denn der Premier hatte 2014 keine Ermächtigung, das geheime Atomabkommen mit Russland über den Ausbau des einzigen ungarischen Atomkraftwerks im Volumen von 13 Prozent des ungarischen GDP abzuschließen. Nach dreieinhalb Jahren sind diese Bedenken berechtigter denn je.

Geschäft mit Aufenthaltsgenehmigungen

Zwar hat die "Öffnung gen Osten" bestimmten ungarischen Oligarchen eine Unmenge von Geld eingebracht, doch über deren Handelsstrategie hört man nichts mehr. Der Grund könnte sein, dass dieses 2010 vollmundig angekündigte Projekt heute als gescheitert gilt. – Dabei hatte gerade diese Strategie für Misstrauen westlicher Verbündeter gesorgt, weil Ungarns Handel mit diesen totalitären Regimen eine rückläufige Tendenz aufwies. Trotz des Misserfolgs flossen große Summen von Steuergeldern an das für die Abwicklung zuständige "Ungarische Nationale Handelshaus".

Das Projekt war eine vorprogrammierte Totgeburt. Das diktatorisch geführte Aserbaidschan wurde von Orbán vor vier Jahren anlässlich der Unterzeichnung des strategischen Vertrags als Musterstaat gepriesen. In Baku wurde ein Ableger des Ungarischen Nationalen Handelshauses eröffnet. Der erste Besitzer wurde ein der Regierung nahestehender Oligarch: István Töröcskei. Seine sich teilweise in staatlichem Besitz befindliche Bank war kurz davor pleitegegangen.

Auch ein weiteres Projekt bringt Ungarn näher an Mittelasien. Kürzlich erstattete ein Abgeordneter der Opposition im Parlament "mit wohlbegründetem Verdacht auf Hochverrat" bei der Staatsanwaltschaft Anzeige gegen unbekannt. Es ging um das Geschäft mit Aufenthaltsgenehmigungen für reiche Ausländer für den Schengenraum. Der Anzeigende regte auch die Rücknahme der bisher ausgestellten Aufenthaltsgenehmigungen an. Mithilfe dieser Ausweise konnte nämlich Salmo Bazkka, ein dem syrischen Diktator Bashar al-Assad nahestehender, wegen Geldwäsche zur Fahndung ausgeschriebener Geschäftsmann, ungehindert in der EU umherreisen. Auch dem Sohn von Sergei Naryschkin, Chef des russischen Auslandsgeheimdiensts, wurde eine solche Aufenthaltsgenehmigung ausgestellt. Die entsprechende "Gebühr" konnte auch Dimitri Borisowitsch Pawlow, ein dem Kreml nahestehender Geschäftsmann, zahlen.

Geheimdienst-Quellen versiegen

Hier lohnt es, einen Blick auf die Staatssicherheit der sowjetischen Ära zu werfen, denn deren Netzwerk, auf Russisch "Silowiki" genannt, gilt auch heute noch als die treibende Kraft sowohl in der Politik Russlands als auch in der von Ungarn.

In Budapest wurde kürzlich ein Silowik an die Spitze des Auslandsnachrichtendiensts berufen. Er spionierte vor 30 Jahren in Bonn für die Sowjetunion. Michael Rochlitz von der Ludwig-Maximilian-Universität München analysiert die Wirkung der Silowiki auf die internationalen Beziehungen Russlands. Laut Silowiki benötige man einen starken Staat, weil Kräfte vom Ausland und vom Inland permanent versuchen würden, ihn zu unterhöhlen. Nur sie könnten die Natur dieser Bedrohung verstehen. Deshalb wären in diesen unsicheren Zeiten nur sie berechtigt, das Land zu führen.

Der außenpolitischen Strategie des Ministerpräsidenten und der ungarischen Silowiki ist es zu verdanken, dass dem Geheimdienst die Informationsquellen der Nato-Partner scheinbar versiegen. Westliche Geheimdienste arbeiten höchstens bei Terrorverdacht mit ungarischen Kollegen zusammen. Sie sind der Meinung, dass die Erkenntnisse des ungarischen Geheimdiensts auch dem russischen Geheimdienst zugänglich sein dürften. (Csaba Káncz, 23.10.2018)