Heinz Conrads begrüßte augenzwinkernd die "Madln und Buam" vor den Schwarz-Weiß-Apparaten.

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Über den ordnungsgemäßen Besuch einer Schule verlor man in den ersten Reformjahren des Sonnenkönigs, als sich die Flugbahn Bruno Kreiskys noch zaghaft gen Mittag erhob, kaum die notwendigsten Worte. Schulbesuche glichen der Einbestellung durch den ortszuständigen Orthopäden. Mit dem entscheidenden Unterschied, dass sie weitaus häufiger stattfanden und zu keinen Schuheinlagen führten, höchstens zu Bastelarbeiten, etwa unter Hinzuziehung jener Röhren, von denen man Klopapier abrollt.

Ich, ein glücklicher Babyboomer, bekam in der Volksschule natürlich keine Schuheinlagen verpasst. Die Lehrerin war eine mächtige Frau und stand im Hochsommer ihres Lebens als Pädagogin. Wohl weil ihr Gemahl einen Schubert-Chor leitete, stimmte sie mit misstönendem Organ bevorzugt volksnahes Liedgut an.

Dieses sollten wir uns einprägen und den Lieben zu Hause zu Gehör bringen. War man mit einer nur mäßigen akustischen Auffassungsgabe gestraft, blieb es an den langen Winterabenden bemerkenswert still. Nur Heinz Conrads begrüßte augenzwinkernd uns "Madln und Buam" vor den Schwarz-Weiß-Apparaten. Die Eltern gingen zur Tagesordnung über, die eher eine abendliche war ("Zähneputzen!"). Für die Schulpensa ihres ABC-Schützen interessierten sie sich in etwa so brennend wie für die Konsumgüterindustrie in der Volksrepublik Albanien. Zu welcher verwegenen Tat Heinz Conrads’ Augenzwinkern einen hätte anstiften sollen, blieb unklar. Die Klorollen wichen tintenblauen Insekten, die durch Schulhefte krabbelten. Die Lehrerin verschwand eines Tages ohne vorherige Ankündigung. "Di hod a Kürettage g’hobt!", brüllte der Direktor, ein zähes Männlein, auf Nachfrage besorgter Eltern durch das Stiegenhaus des Schulgebäudes. Meine Mutter schlug die Hände vors Gesicht. Etwas Schreckliches musste passiert sein.

Heute verabschieden sich manche der Lehrerinnen, die meinen Kindern das Bravsein beibringen, sanft in den Mutterschutz. Wenn man lange geduldig in den Fernseher starrt, wird einem auch heute noch zugezwinkert. Das Staffelholz Heinz Conrads’ ist auf einen Volks-Rock’n’Roller übergegangen. Der droht allein vor schierer Lebenslust sekündlich zu platzen. (Ronald Pohl, 24.10.2018)