Klare Worte finden Großbritanniens Medien zum Brexit.

Faksimile Daily Express

Zu den Ausnahmen zählt die Wirtschaftszeitung "Financial Times" ("FT"), die bei EU-Feinden als "Stimme Brüssels" gilt. An dieser Polemik stimmt nur, dass die "FT" häufig über die Perspektive der EU-Kommission sowie der 27 Mitgliedstaaten berichtet und damit die Londoner Nabelschau verlässt, die viele andere Blätter betreiben. Die Kommentare lassen allerdings keinen Zweifel daran, dass das Blatt den Brexit für einen Irrtum hält. Damit gehört die "FT" zum Kreis von Zeitungen wie "Daily Mirror", "The Guardian" und "The Independent" sowie dem Wochenmagazin "New Statesman".

Unklar bleibt derzeit die Haltung des Millionenblatts "Daily Mail", das seit Jahren den größten Einfluss auf die Regierung ausübt. Unter seinem langjährigen Chefredakteur Paul Dacre bellte die reaktionäre Kleinbürgerpostille lautstark für den Brexit und gegen all jene "Volksfeinde", so eine Schlagzeile vom Herbst 2016 im Stil des Naziblatts "Stürmer", die dessen rascher Umsetzung im Weg stehen. Kürzlich hat der knapp 70-jährige Dacre dem deutlich milderen George Grieg (57) Platz gemacht, der zuvor das wöchentliche Schwesterblatt "Mail on Sunday" führte. Weil dessen Berichterstattung eher die Brexit-Probleme herausstellte, erhoffen sich Kritiker des Regierungskurses jetzt auch eine fairere Berichterstattung in der Tageszeitung.

Davon kann in Boulevardblättern wie "Daily Star" und "Daily Express" ebenso wenig die Rede sein wie im einstmals ehrwürdigen "Daily Telegraph" oder im Intellektuellenmagazin "Spectator". Allesamt trommeln sie in unvermittelter Lautstärke für den Brexit und prangern die vermeintlich dogmatische EU an. Den Vogel schießt wie immer das Millionenblatt "The Sun" des US-australischen Medienzaren Rupert Murdoch ab.

Queen als Unterstützerin

Als Labour-Oppositionsführer Jeremy Corbyn im Februar den Verbleib der Insel in einer Zollunion mit dem Kontinent befürwortete, stellte ihn das Blatt tags darauf als "Ratte" an den Pranger. Im Referendumskampf handelte sich "The Sun" eine Rüge des sonst zahnlosen Presserats ein: Anhand fünf Jahre zurückliegenden Smalltalks hatten die Boulevardmacher die Schlagzeile "Die Queen unterstützt Brexit" gebastelt.

Die elektronischen Medien sind zu parteipolitischer Neutralität verpflichtet. Der TV-Sender Sky hat kürzlich den Besitzer gewechselt und wird zukünftig nicht mehr zum Murdoch-Imperium gehören. Der Nachrichtenkanal Sky News und sein Politik-Chefreporter Faisal Islam haben sich in den vergangenen Wochen mit glänzenden Geschichten über die Probleme des Brexits hervorgetan.

Ganz anders die BBC. Die Berichterstattung des bekanntesten öffentlich-rechtlichen Senders der Welt, für mehr als die Hälfte der Briten "wichtigste" Nachrichtenquelle, ist vielen Brexit-Kritikern ein Dorn im Auge. Zu Unrecht, argumentiert Nick Robinson, einer der Moderatoren des Radio-Morgenmagazins "Today". Das Referendum sei vorbei, und damit auch die Notwendigkeit einer Balance zwischen den beiden Standpunkten: "Es gibt keine zwei Seiten mehr."

Damit mache sich der Sender "journalistischer Feigheit" schuldig, urteilt hingegen der Publizist Nick Cohen in einem Essay für "New York Review of Books". (Sebastian Borger, 24.10.2018)