Wasser soll in ganz Europa bedenkenlos aus der Leitung getrunken werden können und die wachsende Plastikflaschenflut eingedämmt werden – so lautet das ehrgeizige Ziel der EU. Am Dienstag kam sie diesem ein kleines Stück näher: Das EU-Parlament stimmte für eine entsprechende Richtlinie der Kommission. Am Mittwoch beschäftigt es sich mit Einwegkunststoff. Der Verkauf von Wegwerfprodukten wie Strohhalmen, Wattestäbchen, Tellern und Besteck aus Plastik soll verboten werden.

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Was auf den ersten Blick breiten Konsens verspricht, offenbart auf den zweiten einen tiefen Graben. In Ländern wie Rumänien sind ganze Dörfer nicht an die öffentlichen Wassernetze angebunden. Vielfach hat die Bevölkerung auch an ihren Arbeitsplätzen keinerlei Zugang zu sauberem Trinkwasser. In Österreich ist beides gewährleistet. Bei der Wasserqualität der Seen und Flüsse liegt das Land Daten der Eurostat zufolge EU-weit hinter Luxemburg an zweiter Stelle.

Angst vor Überregulierung

Brüssel will Wasser nun strenger überwachen lassen, auf Mikroplastik prüfen und die Höchstwerte für Schadstoffe reduzieren. Vor allem aber soll der Zugang zu Trinkwasser erleichtert werden. Was für Millionen Europäer pure Notwendigkeit hat, nährt hierzulande Angst vor teurer Überregulierung und Kontrollwut.

Einen Sturm im Wasserglas traten etwa Österreichs Wirte los. Sie sahen in der Förderung von Bereitstellung von Wasser in den Kantinen und Gaststätten den Zwang, dieses künftig gratis ausschenken zu müssen. Davon war, wie Vertreter der EU-Kommission betonen, nie die Rede. Seit zwei Wochen haben dies die Gastronomen auch schwarz auf weiß.

Sie bekamen Post aus Brüssel, erzählt ihr Branchenobmann Mario Pulker dem STANDARD. Darin war zu lesen, dass sie für das Glaserl Leitungswasser eine Servicegebühr kassieren dürfen. Was für ihn dem Trend der Zeit entspricht: Viele Betriebe verrechneten ja mittlerweile auch das Wasser zum Wein. Dass es aus Kostengründen verlockend sei, Gratiswasser nur noch in Plastik statt im Glas auszuschenken, schließt er aber aus. Die Vorstellung von Becherln, die durch die Gastgärten fliegen, sei nicht gerade prickelnd.

ÖVP und Grüne dagegen

Österreichs ÖVP und Grüne haben die Richtlinie in Straßburg dennoch abgelehnt. Die SPÖ enthielt sich der Stimme. Der Grund dafür liegt in höheren Auflagen für Wasserwerke. 3500 der 8000 kleinen Versorger der EU seien in Österreich, sagt der Grüne-Abgeordnete Michel Reimon. Die geplanten neuen Vorschriften seien für regionale Genossenschaften finanziell nicht zu bewältigen – womit der Druck, die Wasserversorgung zu liberalisieren und zu privatisieren, steige. Für Reimon greifen darüber hinaus die Maßnahmen für sauberes Leitungswasser in anderen EU-Ländern nicht weit genug.

Auch VP-Parlamentarier Lukas Mandl warnt vor einer Kostenlawine, die nichts zur ohnehin schon hohen Wasserqualität in Österreich beitrage. Als Erfolg wertet er, dass entgegen der ursprünglichen Intentionen eine Qualitätskontrolle im Jahr für kleine Versorger ausreiche.

Beide drängen darauf, dass Österreichs Ratspräsidentschaft innerhalb von zwei Monaten einen Kompromiss findet. Ab Jänner hat Rumänien den Vorsitz. "Dort sind die Interessen rund ums Wasser wohl andere", resümiert Reimon.

Mehrheitliche Zustimmung im EU-Parlament dürften heute auch schärfere Regeln gegen Plastikmüll finden. Kunststoff verursacht weltweit 85 Prozent aller Abfälle in den Ozeanen. Jede Minute landet eine weitere Lastwagenfuhre Plastik im Meer. Bis es sich auflöst, vergehen Jahrhunderte. (Verena Kainrath, 24.10.2018)