Bereits in den 1990er-Jahren brachte eine kühne Glaskuppelkonstruktion Waagner-Biró in Schieflage, Die begehbare Reichstagskuppel des Bundestagsgebäudes in Berlin kostete viel mehr als geplant.

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Kühne Architektenvisionen sind keine Garantie für den Erfolg international gefeierter Bauprojekte. Das spürt der Wiener Stahl-, Glas- und Brückenbaukonzern Waagner Biró Aktiengesellschaft einmal mehr. Am Dienstag hat eine der tragenden Säulen des Konzerns, die erst vorige Woche in SBE Alpha umgegründete Waagner-Biró Stahlbau AG, beim Handelsgericht Wien Insolvenzantrag gestellt.

Die Angaben des von der Liaunig Industrieholdung und Waagner-Biró-Vorstandschef Thomas Jost kontrollierten Konzerns über die Ursachen sind dürr wie aufsehenerregend für die gesamte Unternehmensgruppe: "Der Rest der Gruppe ist insolvenzgefährdet. Es wird angestrebt, das Fortbestehen einzelner Unternehmensteile zu ermöglichen", teilte Waagner-Biró am Montag via Aussendung mit.

Heißt auf gut Deutsch: Die Division Stahlbau, die mit Stahlglasbauprojekten wie der Elbphilharmonie in Hamburg, der Staatsoper Unter den Linden in Berlin, der Oper Sydney oder dem Louvre Abu Dhabi international Furore machte, droht die gesamte Waagner-Biró-Gruppe mitzureißen. Sie hatte im Vorjahr mit rund 1400 Beschäftigten weltweit knapp 192 Millionen Euro Umsatz und ein Vorsteuerergebnis (EBT) von 10,1 Millionen Euro erwirtschaftet. Die Eigenkapitalquote beträgt 30 Prozent oder 61 Mio. Euro, der Cashflow wird mit 14,2 Millionen Euro angegeben. In den Büchern habe man Aufträge im Volumen von 256 Millionen Euro, wird betont.

Klumpenrisiko

Die im Geschäftsbericht gepriesene Strategie, "den Fokus auf klein- und mittelvolumige Projekte zu legen, die das Klumpenrisiko verringern und rasch umsatz- und ergebniswirksam sind", ging offenbar nicht in gewünschtem Maße auf. Über die Gründe schwieg man in der Konzernzentrale in Wien-Donaustadt beharrlich. Vorstandschef Jost war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Beredter sind Gläubigerschutzverbände. Sie gehen von Fremdverschulden aus. Creditreform nennt zwei Großprojekte als Auslöser für den Liquiditätsengpass der SBE Alpha: "Lakhta Arch", die Gazprom-Zentrale am finnischen Meerbusen in St. Petersburg, bestehend aus einem 462 Meter hohen Turm mit angeschlossenem Multifunktionscenter. Für Letzteres lieferte Waagner-Biró – der STANDARD berichtete – rund 17 Meter hohe begeh- und beheizbare Glasträger sowie Fassadenteile mit einem Auftragsvolumen, das auf umgerechnet rund 30 Millionen Euro taxiert wurde.

Haftung in Russland

In Russland sei SBE Alpha durch Probleme mit einem lokalen Lieferanten in die Haftung gekommen, heißt es. Am Ende habe der Generalunternehmer, ein türkischer Baukonzern, nicht gezahlt. Aus Hauptversammlungsprotokollen erschließt sich, dass sich das Unglück in Russland ankündigte, Lakhta Arch brauchte 2017 zusätzliche Bankgarantien.

Bei der Fertigstellung im November 2017 fand die riesige Kuppel weltweit Beachtung.
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Ein dramatisches Nachspiel für die kühnen Konstrukteure von Waagner-Biró hat offenbar auch der 2017 fertiggestellte Louvre Abu Dhabi. Unter der vom französischen Stararchitekten Jean Nouvel entwickelten offenen Kuppel aus Stahlprofilen mit 178 Metern Durchmesser hätten fünf Fußballfelder Platz. An nur vier Punkten befestigt, scheint das Dach mit seiner Gitterstruktur zu schweben. Wiewohl SBE nur Subunternehmer des örtlichen (staatlichen) Bauherrn im Emirat war, soll es zuletzt zugegangen sein wie auf einem Bazar. SBE blieb auf einem Teil der Kosten sitzen. In welcher Höhe blieb ebenso unbeantwortet wie der Schaden in Russland.

Die Auszeichnung mit dem European Steel Building Award für die Leistung in Zusammenhang mit dem Louvre Abu Dhabi im September 2017 war also nur ein schwacher Trost.

Zum Insolvenzverwalter wurde Rechtsanwalt Stephan Riel bestellt, Aktiva von rund 39 Millionen Euro (zu Verkehrswerten) stehen laut Creditreform Passiva von rund 76 Mio. gegenüber. Allgemeine Prüfungstagsatzung am Handelsgericht Wien ist am 9. Jänner. Aus Sorgfaltsgründen wurden 107 Mitarbeiter im AMS-Frühwarnsystems angemeldet. (Luise Ungerboeck; 24.10.2018)