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Luigi Di Maio, Giuseppe Conte und Matteo Salvini wollen noch nicht aufgeben.

Foto: reuters/remo casilli

Es war eine Premiere, "leider eine bedauerliche", wie der für Wirtschafts- und Währungsunion zuständige Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, am Dienstag sagte. Er und seine Kollegen hatten am Nachmittag am Rande des Plenums des EU-Parlaments in Straßburg zum ersten Mal in der zwanzigjährigen Geschichte der Eurozone das Budget einer Regierung zurückgewiesen, noch bevor dieses im Parlament auf nationaler Ebene beschlossen worden war.

Erst am Montag hatte der italienische Finanzminister Giovanni Tria "seine" Zahlen und Maßnahmen (wie die Einführung eines allgemeinen Mindesteinkommens) in Brüssel vorgelegt. In einem Brief strich er selber hervor, dass Rom damit die Regeln breche.

Dreifacher Regelverstoß

Dombrovskis und Währungskommissar Pierre Moscovici erklärten dazu, dass die italienische Regierung die Vereinbarungen mit den Partnern gleich in dreifacher Weise verletzt hätte: Erstens würde der vorgelegte Haushalt das strukturelle Defizit verschlechtern statt verbessern.

Zweitens sei die Bedrohung durch die Gesamtverschuldung des Staates von 131,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) ohnehin viel zu hoch. Sie würde ohne Korrektur weiter steigen statt abgebaut werden. Und drittens seien die vorgelegten Wachstumsprognosen nicht plausibel.

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Das alles zusammengenommen ergebe ein eindeutiges Bild, sagte Moscovici. Das präsentierte Budget sei "kein Grenzfall", die Entscheidung der Kommission eindeutig. Die Regierung in Rom habe nun drei Wochen Zeit, um die Pläne nachzubessern. Dann werde die Kommission erneut entscheiden, wie es weitergehe. Er betonte, dass man mit der Regierung als Partner zusammenarbeiten wolle, in einem "konstruktiven Dialog".

Empörung in Rom

Ob das möglich sein wird, wird sich weisen. Vizepremierminister und Lega-Chef Matteo Salvini reagierte nur Minuten nach der Entscheidung in Straßburg mit harten Anschuldigungen: "Die EU attackiert nicht einfach eine Regierung, sondern sie attackiert ein Volk. Und dann wundern sie sich, dass sich die EU in Italien auf einem historischen Popularitätstief befindet", sagte er. Bereits am Montag hatte Salvini erklärt, er rechne nicht damit, dass die Kommission das Budget genehmige.

Das Instrument eines "präventiven" Eingreifens der EU-Zentralbehörde war erst vor wenigen Jahren nach der existenzbedrohenden Eurokrise als Folge der Pleite Griechenlands 2010 beschlossen worden. Dazu waren die strengen Fiskalregeln des Eurostabilitäts- und Wachstumspaktes extra noch einmal verschärft worden.

Die Euro-Seilschaft

Weil die Volkswirtschaften und die Budgets der Eurostaaten miteinander so eng verknüpft sind, dass das exzessive Fehlverhalten eines Landes die ganze Gruppe in den Abgrund reißen könne, sollte man rechtzeitig korrigieren können – noch bevor national geplante Maßnahmen umgesetzt werden. "Die italienische Regierung verstößt mit ihrem Haushalt offen und bewusst gegen die Verpflichtungen, die sie gegenüber den anderen EU-Staaten eingegangen ist", betonte Dombrovskis.

So sei das Defizit mit 2,4 Prozent des BIP dreimal so hoch wie vereinbart. Die Kommission habe daher gar keine andere Wahl gehabt, als das Budget zurückzuweisen. Das habe mit dem Aspekt, dass in Rom eine rechtspopulistische Regierung an der Macht sei, nichts zu tun. Die Kommissare betonten gleichzeitig, dass sie in die Maßnahmen der Regierung selbst nicht eingreifen wollen. Aber: Die Nachhaltigkeit des Budgets 2019 müsse gewährleistet sein. Die Weigerung, am Haushalt die geforderten Korrekturen vorzunehmen, fällt den Populisten von Lega und Fünf-Sterne-Bewegung in Rom relativ leicht: Die Kommission hat wenige Druckmittel, um die Haushaltsregeln durchzusetzen. Nach der Zurückweisung des Budgets wird sie wohl ein offizielles Defizitverfahren gegen Italien eröffnen. Dabei könnte sie eine Geldstrafe von bis zu 0,2 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung und damit in der Höhe von bis zu 3,4 Milliarden Euro verhängen. Aber ein derartiges Verfahren dauert Jahre und könnte am Veto eines anderen Landes scheitern.

Korrektur der Märkte

Rascher könnten die Schuldenakrobaten in Rom von Finanzmärkten gestoppt werden. Wegen des Vertrauensverlusts unter den Anlegern ist der "Spread", die Zinsdifferenz zwischen den italienischen und den deutschen Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit, bereits auf über drei Prozent angestiegen. Gleichzeitig verlieren alte Anleihen an Wert, was insbesondere für die schwach kapitalisierten italienischen Banken zum Problem wird.

Sie halten einen beträchtlichen Teil der Staatsschulden in ihren Büchern. Ob die Zinsen weiter ansteigen werden, dürfte maßgeblich von der EZB abhängen. Sie wird am Donnerstag vermutlich bestätigen, ihr bereits reduziertes Programm der Anleihenkäufe im nächsten Jahr ganz zu beenden. Im Rahmen des sogenannten Quantitative Easing hatte die vom Italiener Mario Draghi geleitete Zentralbank insgesamt über 350 Milliarden an italienischen Schulden gekauft, die Zinsen tief gehalten. (Thomas Mayer aus Straßburg und Dominik Straub aus Rom, 24.10.2018)