Wilfried auf seinem 1974 erschienenen Debütalbum. Darauf kreuzte er Volksmusik und Rock, ein paar Jahre später versuchte er sich gar am Yodel Funk.

Atom Records

Zeilen wie diese ließen in den frühen 1970ern das Kind im Kinde frohlocken: "Ziwui ziwui, ziwerl zawerl Zechenkas, es schlogt scho hoiba druja!"

Bis auf "Zechenkas" und "es schlogt scho" blieb die Botschaft aufgrund der Sprachbarriere zwischen Oberösterreich und der Steiermark zwar weitgehend im Dunkeln, lässig klang das trotzdem. Es sprühte vor Witz und Lebenshunger, das vermittelten selbst die unbekannten Silbenreihen. Und aus dem Schwarzweißfernseher sah man bald darauf einen bärtigen Typen, der mit breitem Grinsen dieses seltsame Lied sang: Es war Wilfried.

Ziwui, ziwui begründete eine der erstaunlichsten Karrieren in der heimischen Popmusik. Man schrieb das Jahr 1974, als Wilfried sein Debütalbum veröffentlichte. Der Titel des Werks lautet schlicht Wilfried, doch das sollte sich als eine ganze Menge erweisen.

Ziwui, ziwui – das einzige Lied weltweit, das das Wort "Zechenkas" in die Charts brachte.
ledergeri

Wilfried Scheutz war früh vom Virus des Rock 'n' Roll infiziert worden. Das hatte in den 1960ern die hintersten Täler des Landes erreicht, doch während Ureinwohner beispielsweise in Obertauern gegen die Beatles noch im Geiste Dolferls protestierten und auf die Straße gingen, stießen die neuen wilden Töne aus fernen Ländern in Bad Goisern auf zumindest ein paar offene Ohrwascheln.

In Bad Goisern war 1950 Wilfried Scheutz geboren worden. Aufgewachsen, so will es die Legende, war er im Gasthaus seiner Mutter. Dort lernte er die unverbaute Sprache der Gäste kennen und formte daraus in den 1970ern ein originäres Narrativ der heimischen Popmusik. Heute würden Marketingmenschen das Wohl Volks-Rock-'n'-Roll nennen, aber davor (be)hüten wir uns und das Ansehen Wilfrieds.

Provinz und Provokation

Schon mit 14 Jahren gründete er eine Band namens The Provos. In dem Namen steckt die Provinz ebenso drinnen wie die Provokation. Das eine überwand er, das andere pflegte er als geistvolle Renitenz bis zu seinem Tod im Juli des Vorjahres.

Im Rahmen des Gedenkens anlässlich des hundertjährigen Bestehens der Republik widmet sich die Reihe "Zwickt's mi" das ganze Jahr lang österreichischer Popmusik. Alben, Songs und Künstler, die die heimische Popmusik geprägt haben, werden in Erinnerung gerufen und vorgestellt.

Steirischer Schnaps

Wilfried galt als wilder Hund im Austropop. Den Begriff Austropop hasste er pflichtschuldig, entkommen konnte er ihm wie so viele andere nicht. Immerhin war er einer derer im Fach, für die man sich nicht automatisch schämen musste, dazu war er zu originell. Er arbeitete sich durch rockige Landler wie Mary oh Mary oder besang "Styrian Schnaps", den er beim Studium in Graz offenbar ebenfalls kennengelernt hatte. Nicht für die Schule, für den Rock 'n' Roll lernen wir.

Mary oh Mary – mit der Stimme wäre Wilfried in den USA wahrscheinlich ein Star geworden. Er wurde es in Österreich auch.
Alfa1968Romeo

Nach dem ersten Album, das mit Lauf Hase Lauf einen der damals nachdenklichsten Songs heimischen Ursprungs aufwies, dauerte es aber fünf Jahre, bis Wilfried im großen Format nachlegte. Nights in the City erschien zur hohen Zeit des Disco. Damals waren Bands wie Ganymed (Money Is Addiction (Of This Crazy World)) mit ihren diesbezüglichen Ergebnissen in den Charts.

Wilfried in der Disco: Nights in the City, die Titelnummer seines 1979er-Albums.
Minze45

Wilfried nahm man zwar bereitwillig ab, dass er wusste, worüber er sang, wenn es um die Nächte in der Stadt ging. Dennoch waren das eher zeitgeistige Songs. Dasselbe gilt für das Album Make Up. Als er 1981 auf Ganz normal wieder Deutsch sang, wirkte das natürlicher. Es war die Zeit der New Wave und der NDW —und da tobte sich einer wie Wilfried aus. Er sang das Lied von den Highdelbeeren oder das von Kufstein.

Humor braucht der Mensch. Und Highdelbeeren. Wilfried beim Augenzwinkern.
art75

Die brachten ihn in die Charts und zeigte einen vor Vitalität fast explodierenden Sänger, dessen Auftritte ihm den Ruf einer Rampensau einbrachten. Wilfried erfüllte seine Songs mit (wildem) Leben, wirkte authentisch und hatte Schmäh. Zum wilden Wilfried gab es den zärtlichen Wilfried, der in seinen Balladen aufging wie ein Germ. Ob man Lieder wie Orange oder Lass mi bei dir sein mochte oder nicht, war egal. Aber man spürte, dass der einem nichts vorgaukelt. Wilfried schien da ganz bei sich zu sein.

Letzter in Dublin

Nicht bei sich war er, als er sich 1988 in den Song Contest reintheatern ließ und in Dublin mit dem bescheuerten Lied Lisa Mona Lisa den verdienten letzten Platz kassierte. Diese rachitische Ballade hat so wenig zu ihm gepasst wie der Anzug, in den man ihn für den Auftritt steckte. Sein Abschneiden hat ihn fast die Karriere gekostet, und das ist der Song Contest nicht wert — damals so wenig wie heute.

Nicht alles, was zu einer Biografie gehört, ist schön. Ein Anzug mit Wilfried drinnen wurde beim Song Contest 1988 in Dublin verdient Letzter.
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Doch er fing sich, machte weiter, wurde älter, machte anderes, als von ihm erwartet wurde. In den 1990ern gründete er die A-Capella-Formation 4xang und kreuzte mit ihr Blues, Jazz und Volksmusik, mit Sohn Hanibal und einem weiteren Vater-Sohn-Duo trat er als Fathers and Sons auf – eventuell waren die wegen Cat Stevens so benannt.

Wilfried nahm, was kam, ohne sich anzubiedern. Zur Schleimerei taugte er nicht, dafür war er zu aufrichtig und nicht deppert genug. Dafür war er zur Stelle, wenn es darum ging, in deutlichen Worten Blödsinn als solchen zu benennen.

Tolles Alterswerk

DUnter diesen Vorzeichen begann er ein würdevolles Alterswerk, dem leider seine Krebserkrankung dazwischenkam. Unter dem Mitwirken seines Sohnes entstand 2012 Tralalala und 2017 Gut Lack.

Das waren keine weinerlichen Alben eines Künstlers, den die Zeit überholt hatte. Es waren luzide Arbeiten auf einem Terrain, auf dem Wilfrieds Wesen und seine Stimme voll aufgingen. Sein Organ besaß früh so etwas wie die Autorität des Alters – ohne sie zur Maßregelung oder zur Klugscheißerei zu missbrauchen. Etwas Blues, finstere Balladen, sture Rocker, knapp und trocken, das reichte vollends. Schade, dass da nichts mehr kommt.

Dass er nebenbei der erste Sänger der EAV war, muss noch gesagt werden. Es illustriert, wie umtriebig Wilfried war. Ein Außenseiter, aber immer mittendrin. (Karl Fluch, 27.10.2018)