Benjamin Kaan will Nachfolger von Maria Vassilakou werden.

Foto: Andy Urban

In Meidling hinter der Station Längenfeldgasse trifft nicht nur die U6 auf die U4.

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Benjamin Kaan ist Bezirksrat in Meidling und will Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou an der Spitze der Wiener Grünen ablösen. Seine Ortswahl fällt daher wenig überraschend auf ein Platzerl im zwölften Bezirk. Ein Brennpunkt, hier hinter der U-Bahn-Station Längenfeldgasse, wo nicht nur die Linien U4 und U6 aufeinandertreffen, sondern sich auch Gemeinschaftsgärtner, Sportler, Obdachlose und Suchtkranke den Park neben der Wien teilen. Auch Streetworker in roten Westen patrouillieren rund um die Station. "Hier prallt das urbane Leben aufeinander", sagt Kaan: "Es ist auch ein Hotspot für Drogen und Obdachlosigkeit."

Grüne Wien

Dass ein Alkoholverbot, wie es diesen Sommer auf dem Praterstern in Kraft getreten ist, die Lage auch hier entschärfen könnte, bezweifelt der Unternehmer im Lebensmittelsektor: "Es ist nicht der richtige Weg." Es sei gar "absurd: Wir sind gegen die Bierdosen am Praterstern, und jetzt kommt wieder die Punsch- und Glühweinzeit, wo Alkohol in der Öffentlichkeit zelebriert wird." Um mit der Suchtproblematik besser umzugehen, will Kaan lieber auf Entkriminalisierung setzen.

Für Legalisierung

Derzeit würden Menschen in die Illegalität getrieben. "Warum muss ich jemanden verbieten, einen Joint zu rauchen? Solange er niemanden was tut, ist das nur Überregulierung." Er fordert die Legalisierung des Cannabiskonsums mit einem regulierten Handel. Ein "starker Wirtschaftsfaktor", sagt der Bezirksrat mit Blick auf Kanada und die USA.

Dass Kaan mit einer Forderung, die eigentlich Bundesmaterie ist, um die Spitzenposition der Wiener Grünen kämpft, schließe sich nicht aus. Es sei ein erster Schritt, dass die Wiener Grünen sich wieder um dieses Thema kümmerten. Schließlich sei es die stärkste Landesorganisation. Die – planmäßig 2020 angesetzte – Wien-Wahl sei daher entscheidend für die Partei. "Es wird eine Richtungsfrage. Mit meiner Kandidatur will ich auch mehr Einfluss bei den Grünen gewinnen. Auch, um die Forderung nach Legalisierung in der Bundesebene aufs Tapet zu bringen", sagt der Meidlinger Bezirksrat.

In der Klimapolitik seien die Grünen "glaubwürdig". Er trete trotzdem für einen Generationswechsel an. "Ich bin 1986 geboren, als Tschernobyl passierte und als die Grünen erstmals ins Parlament eingezogen sind", erzählt er. Damals stand der Umweltschutz im Fokus der Partei. "Heute muss Umweltpolitik den Menschen in den Vordergrund stellen." In Wien bedeute das, den Verkehr zu reduzieren. Etwa mit der Citymaut, einem flächendeckenden Parkpickerl oder dem Ausbau der S-Bahnen. Auch will Kaan mehr Grünraum schaffen, Bäume pflanzen und neue Fasadenbegrünungen ermöglichen.

Bei Integration nachschärfen

In anderen Bereichen hätten die Grünen jedoch Fehler gemacht, so Kaan, der die Versöhnung mit den Wählern der Liste Pilz anstrebt. "Eine Forderung der Liste Pilz war der Kampf gegen den politischen Islam. Das ist der falsche Begriff, aber eine differenziertere Position in der Integrationspolitik wäre für die Grünen wichtig", findet Kaan. Bei dem Thema würde man sich in der Partei zu wenig trauen. Sobald auch nur einzelne eine kritische Haltung annehmen, würden sie "ins rechte Eck gedrängt".

Dabei sollten die Grünen nachschärfen und die eigenen Werte in alle Richtungen verteidigen, befindet der Bezirkspolitiker: "Nicht nur gegen die politische Rechte, sondern auch gegen religiöse Gruppierungen. Auch da gibt es einen Widerspruch zu unserem Verständnis von Demokratie, Menschenrechten oder Gleichberechtigung." Bei den Grünen wolle nur niemand mit rechten Positionen in Verbindung gebracht werden. Dabei müsse man sich eingestehen, "dass wir eine große Gruppe von Menschen nicht abholen können und sie von religiösen Gruppen besser abgeholt werden".

Mehr Geld für Traumabekämpfung

Ein wesentlicher Punkt, um hier aufzuholen, sei bei der Traumabekämpfung. "Da müssen wir mehr Geld in die Hand nehmen, und wir müssen sie in den Arbeitsmarkt integrieren", fordert Kaan. Denn wenn Flüchtlinge nicht arbeiten könnten, würden sie in die Illegalität gedrängt. "Dann sind wir wieder beim Drogenhandel und bei der Kriminalität. Drogen- und Integrationspolitik gehen Hand in Hand." (Oona Kroisleitner, 31.10.2018)