Auch nach einer Demonstration gegen Rechtsextremismus in Wien gab es wegen des exzessiven Reizgaseinsatzes der Polizei Misshandlungsvorwürfe gegen die Staatsgewalt.

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Wien – Die Diskussion flammt in regelmäßigen Abständen auf: wie die Polizei mit Misshandlungsvorwürfen gegen sich selbst umgeht. Unter anderem kritisierte die UN-Antifolter-Kommission, dass ein hoher Prozentsatz von Strafverfahren nach Anzeigen wegen Misshandlungsvorwürfen gegen Exekutivorgane eingestellt wird. Menschenrechtler bemängeln immer wieder, dass Ermittlungen zumeist polizeiintern stattfinden – auch wenn sich die Staatsanwaltschaft jederzeit einklinken kann.

Dass die Polizei bei Misshandlungsvorwürfen "quasi gegen sich selbst" ermittle, sei "befremdlich", sagt Alfred Noll, Justizsprecher der Liste Pilz: "In anderen Ländern gibt es längst eigene, unabhängige Kommissionen, die derartigen Vorwürfen nachgehen." Auch der ehemalige UN-Sonderberichterstatter über Folter, Manfred Nowak, kritisierte dies.

Die Liste Pilz kündigt nun eine parlamentarische Anfrage zum Thema an. Denn das Justizministerium gab noch zu Zeiten Wolfgang Brandstetters (ÖVP) als Ressortchef eine Studie in Auftrag, die untersuchen sollte, wie die Exekutive und die Justiz konkret mit Misshandlungsvorwürfen gegen Polizeibeamte umgehen. Das Austrian Center for Law Enforcement Sciences (Ales) an der Uni Wien analysierte laut Projektbeschreibung Schwachstellen und lotete Verbesserungspotenziale aus.

Umgesetzte Empfehlungen

Laut Justiz- und Innenministerium flossen die Ergebnisse der Studie in bereits herausgegebene Erlässe zum Umgang mit Misshandlungsvorwürfen ein. Die Studie selbst wurde jedoch bisher noch nicht öffentlich zugänglich gemacht. Laut Ales-Website ist sie seit Februar 2018 abgeschlossen, mittlerweile soll auch ein Zusatzbericht über die neuen Erlässe fertig sein. Laut Auskunft des Justizministeriums soll die Studie nun im November präsentiert werden.

Auf das will sich die Liste Pilz nicht verlassen. Neben konkreten Ergebnissen will sie wissen, welche Empfehlungen der Studie in welcher Form im jeweiligen Vollzugsbereich von Innen- und Justizministerium umgesetzt wurden – und welche nicht.

Kein Taskforcethema

Außerdem sollen beide Ressorts "erklären, ob sie planen, die Rahmenbedingungen für Ermittlungen bei Misshandlungsvorwürfen gegen Polizisten zu verbessern", sagt Noll. Weiters will der Justizsprecher wissen, ob sich die von Staatssekretärin Karoline Edtstadler (ÖVP) geleitete "Taskforce Strafrecht", bei der auch eine Arbeitsgruppe zum Thema Opferschutz eingesetzt wurde, mit dem Komplex befassen wird. Denn bis jetzt hätte Edtstadler ihre "Reformideen anscheinend nur aus Facebook-Kommentaren abgeleitet", moniert Noll und spielt damit auf die von Edtstadler gelieferte Begründung hinsichtlich der geplanten Verschärfung des Strafrechts an.

Doch diesbezüglich winkt das Innenministerium gegenüber auf STANDARD-Anfrage ab: "Die Taskforce beschäftigt sich mit struktureller Gewalt speziell gegen Frauen und Kinder und mit der Frage, wie man sowohl die Strafen dafür verschärfen als auch den Opferschutz und die Täterarbeit verbessern kann", sagt ein Sprecher Edtstadlers. Das Thema Polizeiübergriffe sei deshalb von der Aufgabenstellung nicht umfasst. (Vanessa Gaigg, 4.11.2018)