Bochum – Das Bergwerk Douzlākh im Nordwesten des Iran blickt auf eine lange Geschichte zurück: Heute wird dort Steinsalz abgebaut – wie es schon vor Jahrtausenden der Fall war. Wissenschafter der Universität Bochum berichten nun im Magazin "Rubin" von ihren Forschungen an einem ungewöhnlichen Fund, der dort im Jahr 1993 gemacht wurde: In der Salzmine wurden jahrhunderte- und teilweise sogar jahrtausendealte Leichen und Leichenteile gefunden, die durch das Salz bemerkenswert gut konserviert blieben (Bilder finden Sie hier).

Mehrere Bergwerksunglücke

Neben den Mumien fanden die Forscher viele gut erhaltene Kleidungsstücke sowie Gefäße, die teilweise noch Nahrungsmittelreste enthielten, und Holzgeräte. Laut offizieller Zählung wurden sechs Leichen aus dem alten Bergwerk geborgen; aber das Projektteam um den Archäologen Thomas Stöllner ermittelte bereits, dass noch Teile von zwei weiteren Toten in den Funden enthalten sind.

Soweit die Forscher rekonstruieren konnten, müssen sich dort mindestens drei Bergwerksunglücke ereignet haben. Zwischen 405 und 380 vor unserer Zeitrechnung stürzten Teile des Bergwerks ein, möglicherweise ausgelöst durch ein Erdbeben. Einen weiteren Verbruch gab es um das Jahr 300 unserer Zeitrechnung, einen dritten im 5. bis 6. Jahrhundert.

Mumie Nummer vier

Der laut Stöllner spektakulärste Fund ist die sogenannte Mumie Nummer vier: ein 15- bis 16-jähriger Junge aus der Achämenidenzeit, also aus der Zeit des ersten persischen Großreichs, der bei dem ersten Verbruch im Bergwerk ums Leben gekommen war. An der Grabungsstelle konnten die Forscher das Unglück detailliert nachvollziehen, unter anderem die Salzblöcke identifizieren, die den Jungen erschlagen hatten.

Die im Salz eingelagerten Körper sind zwar etwas geschrumpft, aber es sind alle Organe erhalten. "Es ist quasi so, als wären sie gestern verstorben", sagte Stöllner. Anhand von dreidimensionalen tomografischen Scans aus einem Krankenhaus in Teheran rekonstruierten Forscher aus Zürich im Rahmen des Projekts das Innere des Körpers. Die Bilder zeigen zum Beispiel Brüche in Schädel und Thorax des jungen Arbeiters und seine aufgeplatzten inneren Organe.

Von weither angereister Arbeiter

Über den Jungen hat das Projektteam mittlerweile noch viel mehr herausbekommen. "Wir wissen, dass es ein gut genährter junger Mann war, der vermutlich aus Zentralasien oder vom Kaspischen Meer kam", sagt Stöllner. Die Herkunft untersuchen die Wissenschafter zusammen mit Kollegen von der Universität Oxfordmit mittels Isotopenanalysen, da diese Hinweise auf die Ernährung eines Menschen geben. Die Ernährungsweise wiederum ermöglicht Rückschlüsse auf die Region, aus der die betreffende Person stammte – im konkreten Fall war es der Raum um das Kaspische Meer oder Zentralasien.

Überraschend sei es nicht, dass Fremde in der Mine tätig waren, sagt Stöllner. "Das Archämenidenreich war riesengroß. Aus schriftlichen Quellen wissen wir, dass es Beziehungen in alle Reichsteile und eine hohe Mobilität gab – so wie in der EU heute auch." (red, 28. 10. 2018)