Im Herbst legt sich Nebel über die Landschaft und bei manchen Menschen auch aufs Gemüt.

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Sturm, Regen und Kälte – die Sonne kommt dieser Tage nur selten durch die Wolken. Bei vielen lässt zu dieser Jahreszeit der "Winterblues" grüßen, sie fallen jedes Jahr aufs Neue in ein Stimmungstief.

Dabei hat die Sonne im Sommer in diesem Jahr fast überall Überstunden gemacht. Könnte so ein Sonnen-Plus nicht insgesamt für mehr Widerstandskraft sorgen? Oder fällt der Kummer angesichts des deutlichen Kontrasts nur noch heftiger aus?

"Wenn die Tage kürzer werden, schüttet der Körper mehr Melatonin aus – das sogenannte Schlafhormon", sagt Andreas Matzarakis, Leiter des Zentrums für Medizin-Meteorologische Forschung des Deutschen Wetterdienstes (DWD). Diese hormonelle Umstellung könne auch Stimmungsschwankungen bewirken, jedenfalls bei einigen Menschen. Die Folge seien dann beim Jahreszeitenwechsel die Frühjahrsmüdigkeit beziehungsweise der Winterblues.

"Eigentlich brauchen wir jetzt erst einmal zwei oder drei richtige Kälteeinbrüche, damit der Körper verzeichnet, dass er sich jetzt auf den Winter umstellen soll", vermutet Matzarakis und wart vor Pauschalisierung: "Bei depressiven Verstimmungen wie dem Winterblues kommen eigentlich immer mehrere Faktoren zusammen, und man kann nicht exakt sagen, welchen Anteil das Wetter daran hat."

Ursache nicht geklärt

Zudem sei längst nicht die gesamte Bevölkerung betroffen, betont der Chronobiologe Jörg Stehle von der Goethe-Universität Frankfurt. "Am Winterblues leiden lediglich fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung." Auch wenn die Ursachen noch nicht restlos erklärt seien, habe das Phänomen etwas mit der Empfindlichkeit der inneren Uhr des Menschen zu tun.

In einer YouGov-Umfrage gaben 51 Prozent der mehr als 2.000 Befragten an, dass sie im Herbst unter Stimmungsschwankungen leiden. Frauen reagierten dabei sensibler auf das herbstliche Grau-in-Grau: Der Umfrage zufolge spüren 55 Prozent der weiblichen Befragten den herbstlichen Blues, aber nur 46 Prozent der Männer werden von Schwermut-Anflügen gepackt.

Uhr speichert nicht

"Die innere Uhr reagiert von Mensch zu Mensch unterschiedlich auf Lichtexposition, manche sind sehr empfindlich, andere Menschen weniger", sagt Stehle. Licht sei aber zwingend notwendig, um diese innere Uhr täglich zu verstellen. "Von daher war der sonnenreiche Sommer dieses Jahr sicherlich für viele Menschen hilfreich, da sie morgens mit genügend Licht versorgt wurden", vermutete der Wissenschafter. Das galt aber nur für die Sommermonate: "Die viele Sonne während unseres herrlichen Sommers dieses Jahr nützt allerdings im Winter herzlich wenig, da unsere Uhr solche Informationen nicht speichert."

Denn im Winter fehlt das morgendliche Licht. "Dem kann man mit Lampen nachhelfen, die einen hohen Blaulichtanteil haben", sagt Stehle. "Darauf reagiert unsere innere Uhr besonders empfindlich. Aber auch körperliche Aktivität am Morgen ist hilfreich." So gemütlich es auch sein kann, unter der Kuscheldecke mit einem Becher Tee oder heißer Schokolade den Gedanken nachzuhängen – ein flotter Morgenspaziergang, eine Runde Laufen oder ein paar Yoga-Übungen können die Stimmungslage vieler Blues-Geplagter verbessern. (APA, 25.10.2018)