Lynn Hershman Leesons "Seduction of a Cyborg" wird am 7. November im Mumok-Kino gezeigt.

Foto: Mumok

Halluzinationen haben, wie die alltägliche Wahrnehmung auch, immer ein Außen und ein Innen. Wenn jemand etwas sieht, was andere nicht sehen können, wird die Sache spannend. Im Grunde ist das ja der Normalfall – der sich aber durch bewusstseinserweiterende Substanzen zum Spezialfall machen lässt.

In seinem Film Trypps # 7 (Badlands) aus dem Jahr 2010 zeigt der amerikanische Experimentalfilmer Ben Russell eine Frau vor der Landschaft der Badlands in South Dakota. Sie ist auf einem LSD-Trip, und man sieht diesen Trip zuerst von außen, dann lässt Russell das Bild (buchstäblich und im übertragenen Sinn) nach innen kippen.

Man kann diese zehn Minuten, die das Mumok im Rahmen eines Programms mit dem Titel Halluzinationen zeigt, als einen Zugang zum ganzen Werk des 1976 in Massachusetts geborenen Filmkünstlers sehen. Er setzt Traditionen des anthropologischen visionären Kinos fort, interessiert sich aber auch immer wieder für spannende Lokaltraditionen wie den Wiener Aktionismus: In Rock Me Amadeus by Falco via Kardinal by Otto Muehl nimmt er ein Remake eines Aktionsfilms des mittlerweile diskreditierten ehemaligen Kommunenchefs als Vorlage für ein Falco-Karaoke. Und bestimmt damit auch seine eigene Position als die eines epiphänomenologischen Archäologen von (Film-)Traditionen. Philipp Fleischmann von der Schule Friedl Kubelka für unabhängigen Film wird Ben Russell und dessen Filmschaffen vorstellen.

Zwischen virtuell und hautnah

Eine Woche später könnte man im Film Prototypes von Doireann O’Malley eine Verbindung zu Russells Interesse für (im weitesten Sinn: kulturell vermittelte) ungewöhnliche Zustände sehen. Der Untertitel der komplexen Arbeit der in Berlin lebenden Künstlerin verrät schon eine ganze Menge: "Quantum leaps in trans semiotics through psychedelic serum". Psychedelisch induzierte Genderquantensprünge – das ist kein geringer Anspruch im Hinblick auf die Möglichkeiten von Filmbildern.

Im Mittelpunkt steht am 7. November aber die Wiener Künstlerin Barbara Kapusta, die auch persönlich zu Gast ist. Zu ihrem Film Empathic Creatures muss man sich im Grunde jene Skulpturen dazudenken, zu deren Ausstellungskonzept der Film gehört: schillernde Zeichengegenstände, eine Hand, eine Klammer, eine Zahl. Biomorphie geht in Abstraktion über, Virtualität in Hautnähe. Kuratorin Cathrin Mayer und Kapusta werden auch über den Roman The Blazing World von Margaret Cavendish sprechen, einen visionären Text aus dem 17. Jahrhundert, der als feministische Science-Fiction gehandelt wird.

Eine spannende thematische Klammer der drei im Wochenrhythmus aufeinanderfolgenden Abende lässt sich ohne Weiteres bis zu Nina Yuen schlagen, die am 14. November ein gemeinsam mit Katrina Daschner vorgestelltes Soloprogramm bestreitet. Die aus Hawaii stammende US-Künstlerin könnte man spielerisch als Autoethnografin bezeichnen. Sie nimmt nämlich in der Regel sich selbst zum Gegenstand von klugen Identitätsexperimenten. Dieser immer wieder ausgestellte, aber auch durch Zwillingssuggestionen und vielerlei andere Spiegelungen und Brüche komplizierte Selbstbezug ist Yuens Zugang zu den virulenten "identity issues".

In Narcissus wird auf besonders sinnfällige Art deutlich, wie man als Künstlerin mit sich selber arbeiten und dabei vielleicht doch der Falle des Narzissmus entgehen kann. The Doomed Gesture in All Its Forms, also "die zum Untergang verurteile Geste in allen ihren Formen": So lautet der Titel eines Abends, an dem die Geste als Subjektivitätszeichen wohl in allen ihren Formen aufersteht und rehabilitiert wird. (Bert Rebhandl, Spezial, 25.10.2018)