Der Privatkonsum wächst. Wie viel mehr Ertrag dem Einzelhandel im Körberl bleibt, darüber streiten Österreichs Sozialpartner.

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Das neue Arbeitszeitgesetz in Österreich hat für Beschäftigte im Handel erhebliche Folgen, sagt Anita Palkovich. Von Zwölfstundentagen und der 60-Stunden-Woche seien alle Bereiche der Branche negativ betroffen. "Es besteht dringender Handlungsbedarf." Die Gewerkschafterin der GPA-djp sieht Handelsmitarbeiter vor allem rund ums Weihnachtsgeschäft schlechter aussteigen. Denn die neuen Regeln bauten den Spielraum für Arbeitgeber bei der Diensteinteilung stark aus. "Die Personaldecke ist bereits jetzt dünn. Es ist praktisch eine Einladung, die bestehende Mannschaft noch länger arbeiten zu lassen."

Mit der sogenannten Freiwilligkeit von Überstunden sei es nicht weit her, ist Palkovich überzeugt. Zu groß sei die Angst vor Konsequenzen, werden diese abgelehnt. Viele Teilzeitbeschäftigte klagten schon jetzt über schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Familie aufgrund zu kurzfristiger Dienstpläne. Und die Gesetzesnovelle verschärfe die Situation weiter. "Darüber werden wir uns mit den Arbeitgebern unterhalten müssen."

Frauen überwiegen

Am 30. Oktober startet im Handel, Österreichs zweitgrößtem Arbeitgeber, das jährliche Feilschen um die Gehälter von rund 540.000 Mitarbeitern. 407.000 davon sind Angestellte, der Großteil Frauen.

Die Wirtschaftskammer will bei den Verhandlungen den Schwerpunkt auf dem Lohnabschluss belassen und Rahmenrechte weitgehend ausklammern. Für diese seien andere Termine fixiert, sagt Peter Buchmüller, der Chefverhandler der Arbeitgeber. "Diesen Gefallen können wir nicht tun", entgegnet Palkovich, "die Arbeitnehmer wollen darauf jetzt eine Antwort."

Die Liste der Forderungen, die sie ihm vorlegt, reicht von sechs Wochen Urlaub bis zu altersgerechten Arbeitszeitmodellen. Die Arbeit am 24. und 31. Dezember gehöre im Handel über klare Grenzen für Nachtarbeit und Normalarbeitszeit eingeschränkt und besser bezahlt. Karenzzeiten müssten für alle Ansprüche angerechnet werden. Zudem brauche es einen Rechtsanspruch auf Bildungskarenz oder auf andere Verteilung der Arbeitszeit. Bisher gebe es hier für die Arbeitnehmer keine flexiblen Modelle, resümiert Palkovich.

Nicht an Metallern messen

Vier Verhandlungstermine haben sich die Sozialpartner gesetzt, um auf einen Nenner zu kommen. Basis fürs Monetäre ist eine Inflationsrate von 2,02 Prozent. Was fehlt, ist die Messlatte der Metaller, die sich bisher zu keinem Abschluss durchringen konnten.

Wobei sich der Handel mit der Industrie in keiner Weise vergleichen lasse, betont Buchmüller, der sich von der Politik nicht treiben lassen will. "Die Erträge sind völlig andere." Maximal drei Prozent Marge seien für Händler etwa realistisch, in der Industrie liege diese jenseits der zehn Prozent.

Weit auseinander klafft traditionell die Einschätzung des finanziellen Wohls der Branche. Die Gewerkschaft ortet auf Basis eines Reports der Arbeiterkammer vielerorts um 20 Prozent höhere Gewinnausschüttungen, etwa bei Interspar, Ikea, DM und H&M. Der Handelsumsatz ist im Vorjahr laut Statistik Austria nominell um 5,1 Prozent gestiegen. Auch die Ausstattung mit Eigenkapital sei solid. Dementsprechend brauche es eine kräftige reale Gehaltserhöhung für Angestellte. Rückenwind kommt vom Institut für Höhere Studien, das von der Erholung der Konjunktur wie des Konsums spricht.

Kaufkraft fließt ab

Diese schlägt sich nicht in den Bilanzen des Handels nieder, widerspricht Buchmüller und führt 40 Prozent der Betriebe ins Treffen, die keine Gewinne erzielten.

Statt in den klassischen Handel fließe ein wachsender Anteil der Kaufkraft in Dienstleistungen und Gastronomie, in Freizeit, E-Commerce und Wellness, gibt Handelsverbands-Chef Rainer Will zu bedenken. Erstmals litten auch Einkaufscenter in Toplagen unter der sinkenden Kundenfrequenz.

Stephan Mayer-Heinisch, Präsident des Verbands, zieht als Beispiel den Textilhandel heran: Es gebe hier lediglich zwei, drei Gewinner wie Zara. Konzerne wie Vögele, seien in einer Schieflage, andere große Ketten dabei, stationäre Flächen zu reduzieren. Dennoch brauche es hohe Investitionen für E-Commerce, sagt Buchmüller. "Onlineriesen überholen uns links und rechts." Ein großer Teil des Webumsatzes bleibt sehr wohl im Land, argumentiert hingegen Palkovich.

Harte Fronten in der Industrie

Verhärtet bleiben die Fronten auch rund um den Kollektivvertrag der Metaller. Die Verhandlungen sind unterbrochen, die Gewerkschaft will am Donnerstag Kampfmaßnahmen beschließen. Auch hier machen Arbeitnehmer Unternehmer einseitig als Gewinner der Arbeitszeitgesetzesnovelle aus und fordern Kompensation.

Der jüngste Industriebarometer der Industriellenvereinigung bestätigt stürmische Zeiten: Die Wachstumsdynamik bremst sich ein. Der Barometerwert liegt zwar im positiven Bereich – von Rezession ist keine Rede –, ist aber der schwächste seit fast zwei Jahren. (Verena Kainrath, 25.10.2018)