Am 25. November will Niki Lauda beim Großen Preis in Abu Dhabi wieder dabei sein. "Wir sind keine Hellseher, was seine Genesung betrifft, ob er das schafft, können wir Ärzte nicht sagen", so Walter Klepetko vom AKH Wien.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Ein Teil des Ärzteteams, das Lauda in den vergangenen zehn Wochen behandelt hat: Peter Jaksch, Walter Klepetko, Christian Hengstenberg und Gottfried Heinz.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Wien – Ärzte sind Extremsituationen gewohnt. Sie kennen sich aus mit Leben und Tod. Doch selten haben sie Patienten wie Niki Lauda. Als die Med-Uni Wien am 25. Oktober zur Pressekonferenz anlässlich Niki Laudas Entlassung lud, waren über 15 Kamerateams vor Ort. Der ORF berichtete live. "Eigentlich hat es nicht lange gedauert", eröffnete Thoraxchirurg Walter Klepetko, Laudas Transplanteur, die Retrospektive, nicht ohne die medizinische Höchstleistung der Med-Uni Wien und ihre Expertise in Sachen Lungentransplantation zu betonen. "Dass wir Lauda in gutem Allgemeinzustand gestern entlassen konnten, ist ausschließlich unserer großen Erfahrung und dem hervorragenden Teamwork zu verdanken", so Klepetko.

Insgesamt waren mehr als zehn Abteilungen des AKH in Laudas Genesung involviert. Konkret befassten sich in den vergangenen Monaten über 30 Ärzte mit dem Patienten Lauda, "auch die Pflege, Physio- und Ergotherapeuten haben fantastische Arbeit geleistet. Unser Ziel war es, Niki Laudas Gesundheitszustand, so wie er vor dem Lungenversagen war, wiederherzustellen", sagte Christian Hengstenberg, Leiter der Universitätsklinik für Innere Medizin II am AKH.

Ende Juli in Lebensgefahr

So richtig dramatisch war die Situation, als noch niemand von Laudas lebensbedrohlichem Zustand wusste. Es war Ende Juli. Lauda machte mit seiner Familie Urlaub in Ibiza, als er massive Atembeschwerden bekam. Als sich sein Gesundheitszustand massiv verschlechterte, kehrte er zurück nach Wien, konkret ans AKH. Zur Erinnerung: Der 69-Jährige lebte zu diesem Zeitpunkt bereits mit zwei transplantierten Nieren, eine hatte ihm sein Bruder 1997, die zweite seine Lebensgefährtin im Jahr 2005 gespendet. Das heißt: Niki Lauda muss seit Jahren täglich immunsupprimierende Medikamente einnehmen, um Abstoßungsreaktionen zu verhindern.

"Die Immunsuppression war allerdings nicht der Auslöser für seine Lungenprobleme", betonte Klepetko, auch das Gerücht, er habe einen Infekt gehabt, entkräfteten seine Ärzte, die die tatsächliche Diagnose aus Gründen der Wahrung der Persönlichkeitsrechte auch nach der Entlassung nicht offiziell bekanntgeben.

Ende Juli jedenfalls versagte Laudas Lunge komplett, er musste an die Herz-Lungen-Maschine, an die sogenannte extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO). "Eine Transplantation war zu diesem Zeitpunkt die einzige lebensrettende Maßnahme, die wir noch hatten," sagte Klepetko, der dieses Faktum Lauda, der bei vollem Bewusstsein war und sich im Krankenbett das Grand-Prix-Rennen am Hungaro-Ring ansah, mitteilte. Es war der 29. Juli, Lauda entschied sich für die Lungentransplantation.

2. August, Tag der Lungentransplantation

Die entscheidende Frage war, ob und wann es für Lauda eine passende Spenderlunge geben würde. Die Vergabe der Organe erfolgt nach Dringlichkeitsstufe, Lauda schwebte in Lebensgefahr. "Im Durchschnitt dauert es drei Tage, bis wir für ECMO-Patienten ein Organ finden", sagte Klepetko. Bei Lauda dauerte die Suche vier Tage.

Klepetko entkräftete Gerüchte, bei Lauda würde es sich um einen privilegierten Patienten handeln. "Die Organvergabe erfolgt nach objektiv festgelegten Kriterien, die wir ja auch veröffentlichen müssen", betonte der Thoraxchirurg. Die Operation verlief den gut eingespielten Routinen entsprechend. Die Med-Uni Wien ist eines der weltweit führenden Lungentransplantationszentren, letztes Jahr wurde der Eingriff an 106 Patienten vorgenommen, 105 Patienten haben das Krankenhaus mit einer neuen intakten Lunge verlassen. "Wir haben viel Erfahrung in dem, was wir tun", so Klepteko, der Lauda dann in die Hände der Intensivmediziner übergab.

4. August, die erste gute Nachricht

Bereits zwei Tage nach der Operation "konnte der Schlauch aus der Lunge gezogen werden", sagte Intensivmediziner Hengstenberg und meint damit das selbstständige Atmen, ein Zeichen dafür, dass Laudas neue Lunge funktionierte. Allerdings: Lauda blieb ein Intensivpatient.

"Wir haben Tag für Tag von neuem entschieden, mit welchen Medikamenten wir weitermachen", manchmal waren auch zehn Spezialisten daran beteiligt. Unisono bezeichnen seine Ärzte Lauda als "komplexen" oder "facettenreichen Patienten," der viele Spezialisten am AKH beschäftigte. "Es war eine Symphonie sämtlicher Disziplinen", beschreibt es Hengstenberg.

Mitte August bis Mitte Oktober

"Patienten auf der Intensivstation leben von ihren Reserven", erläuterte Intensivmediziner Gottfried Heinz, Laudas betreuender Arzt, die Gesamtsituation. Lauda ist 69 Jahre alt, hatte bereits gesundheitliche Einschränkungen. Ein zentrales Thema auf der Intensivstation ist der rasante Muskelabbau, der bereits nach wenigen Tagen einsetzt. "Das betrifft auch die Atemmuskulatur", so Heinz.

Bereits wenige Tage nach der Operation, bei der ja der gesamte Brustkorb geöffnet wurde, begann auch das physiotherapeutische Training. Atmen trainieren, Muskeln aktivieren: "Niki Lauda ist ein Patient mit viel Selbstdisziplin und starker Motivation, das hat ihm geholfen", erzählte Heinz. Auch die Unterstützung durch seine Familie sei beeindruckend gewesen.

Im Durchschnitt werden jüngere Patienten als Lauda nach einer Lungentransplantation schon nach drei Wochen entlassen, bei Lauda hat es aufgrund der Vorerkrankungen zweieinhalb Monate gedauert. "Lauda ist nicht der erste lungentransplantierte Patient, der so lange im Krankenhaus war, wir hatten ähnliche Genesungsverläufe", betonte Thoraxchirurg Klepteko.

Was sein Internistenteam leistete, sind vor allem aber die medikamentösen Einstellungen. Sämtliche Laborparameter wie Blutdruck, Sauerstoffsättigung oder der Blutzucker mussten erst wieder ins Lot kommen. "Er muss schon ein paar Tabletten mehrmals am Tag schlucken", so seine Ärzte. Für die Immunsupprimierung, die Lauda ja auch schon vor der Lungentransplantation hatte, wurde die Dosis leicht erhöht.

Die Entlassung am 24. Oktober

Lauda hat das AKH in einem guten Allgemeinzustand entlassen, resümierten die Ärzte. Er ist schwach, kann aber gehen. "Er schaut wie vorher aus", betonte Peter Jaksch, sein internistischer Betreuer vom Thoraxchirurgie-Team am AKH. Jetzt, so Jaksch, geht Laudas Genesung in der Rehabilitation weiter. "Ein Fulltimejob, bei dem die Muskulatur, die Ausdauer und das Atmen trainiert werden."

Am Abend, wusste Jaksch, ist Lauda durch die täglichen Übungen (drei Stunden Sitzen, zwei Stunden Radfahren am Ergometer) durch die atemtherapeutische Physiotherapie und die alltäglichen Dinge des Lebens erschöpft. Doch Jaksch ist zuversichtlich, dass er schon bald wieder ein ganz normales Leben führen wird können, mit Autofahren, Fliegen und allen anderen Dingen, die er auch vorher gemacht hat.

Peter Jaksch von der internistischen Betreuung des Lungentransplantationsprogrammes des Wiener AKH wird Niki Lauda bei seiner Rehabilitation begleiten. Er spricht über die nächsten Schritte.
ORF

Von Lauda selbst gibt keine Statements zu seinem Befinden. Die einzig persönliche Information kommt vom britischen Formel-1-Rennfahrer Lewis Hamilton, den Lauda selbst vor kurzem noch aus dem Spital angerufen hat. Laut Ö3 soll er Hamilton gesagt haben, dass er am 25. November beim Großen Preis in Abu Dhabi wieder dabei sein will. "Wir sind keine Hellseher, was seine Genesung betrifft, ob er das schafft, können wir Ärzte nicht sagen", so Klepetko.

Leben nach der Transplantation

Aus langjähriger Erfahrung wissen die Ärzte: "Patienten können nach Transplantationen ein ganz normales Leben ohne Einschränkungen führen", betonte Jaksch. Sein Nachsatz: "Nur an die Medikation müssen sie sich halten." Eine der Nebenwirkungen der Immunsupprimierung ist die erhöhte Infektanfälligkeit. In den alljährlichen Grippezeiten empfehlen Ärzte transplantierten Patienten deshalb, Menschenansammlungen in geschlossenen Räumen zu meiden "oder einen Mundschutz zu tragen". Auch vom engen Zusammenleben mit Tieren und dem direkten Kontakt mit Erde, etwa bei Gartenarbeiten, wird abgeraten.

Wie lange die Lunge intakt ist? "Wir haben Patienten, die leben seit 24 Jahren mit einer transplantierten Lunge", sagte Jaksch. Klepetko liefert die statistischen Fakten dazu: 94 Prozent aller lungentransplantierten Patienten überleben das erste Jahr, das Fünf-Jahres-Überleben liegt bei 75 Prozent. (Karin Pollack, 25.10.2018)