Kleinstlebewesen bilden die Grundlage vieler Nahrungsketten, da sie wichtige Stoffe produzieren. Sie können aber auch organische Materie zu anorganischen Stoffen abbauen und spielen in geochemischen Stoffkreisläufen eine bedeutende Rolle. Mikroorganismen, wie Bakterien, Pilze oder Algen, werden teilweise gezielt gezüchtet und eingesetzt. So kommen etwa bestimmte Bakterienarten bei der Abwasserreinigung zum Einsatz. In der Biotechnologie werden Bakterien häufig zur Herstellung von Arzneimitteln oder technisch nutzbaren Stoffen eingesetzt. Auch bei der Produktion von Nahrungsmitteln sind Mikroorganismen nicht mehr wegzudenken: Bier, Joghurt oder Salami sind nur einige Beispiele für Lebensmittel, die ohne die Hilfe von Kleinstlebewesen nicht auf unseren Tellern landen würden.

Mikroorganismen für Geschmack und Konsistenz von Essen

Bei vielen Verfahren und Techniken der Lebensmittelproduktion macht man sich heute Mikroorganismen zunutze. Am häufigsten kommen hier Pilze und Bakterien zum Einsatz.

Pilze: Hefen und Schimmelpilze

Hefen sind Einzeller, die sich durch Sprossung oder Spaltung vermehren und zählen zu den niederen Pilzen. Sie stellen wichtige Mikroorganismen für die Lebensmittelproduktion dar. Ihre Fähigkeit, bei der alkoholischen Gärung Zucker in Alkohol Kohlenstoffdioxid umzusetzen, wird schon seit langer Zeit von Menschen eingesetzt. So wird angenommen, dass Hefe bereits in der Eisenzeit zur Bierherstellung genutzt wurde¹ – damals allerdings unter weniger kontrollierten Bedingungen als heute.

In der Natur sind Hefen als sogenannte wilde Hefen zu finden, für die Lebensmittelproduktion werden jedoch Kulturhefen gezüchtet und eingesetzt. Die von Hefe gebildeten Stoffwechselprodukte lassen beim Backen den Teig aufgehen oder verhelfen Getränken zu ihrem Alkoholgehalt. Deshalb werden Hefen zum Beispiel bei der Produktion von Brot, Bier, Wein, und Spirituosen eingesetzt.

Hefepilze sorgen dafür, dass Bier seinen Geschmack bekommt.
Foto: APA/AFP/JURE MAKOVEC

Als Schimmelpilze wird eine sehr heterogene Gattung fadenförmiger Pilze bezeichnet. Auch wenn mit ihnen im ersten Augenblick oft verdorbenes Essen assoziiert wird, gibt es auch Vertreter dieser Gruppe, die für die Lebensmittelproduktion nutzbar sind und hier vor allem für Fermentationsprozesse eingesetzt werden. Bei der Herstellung von Roquefort oder Camembert beispielsweise werden Edelschimmelarten als Reifungsorganismen verwendet und verleihen dem Käse den typischen Geschmack, ohne dabei für den Menschen schädlich zu sein. Auch bei der Herstellung von Salami, Alkohol oder Zitronensäure werden Schimmelpilze eingesetzt. Aromastoffe oder Lebensmittelfarbstoffe aus Schimmelpilzen finden in der Lebensmittelindustrie ebenfalls Verwendung. Ein Beispiel dafür ist die Herstellung von rotem Reis.

Bakterien

In der Lebensmittelindustrie kommen vor allem Milchsäurebakterien häufig zum Einsatz, die auch in der Natur weit verbreitet und beispielsweise im Verdauungstrakt des Menschen zu finden sind. Die Eigenschaften der Milchsäurebakterien macht sich der Mensch schon seit vielen tausenden Jahren zunutze, denn mit ihrer Hilfe können durch die Milchsäuregärung Lebensmittel konserviert werden². Bei diesem Prozess werden Kohlenhydrate zu Milchsäure und Kohlendioxid abgebaut. Die Milchsäure verleiht den Lebensmitteln den charakteristischen säuerlichen Geschmack und macht sie länger haltbar, indem sie das Wachstum unerwünschter Mikroorganismen verhindert.

Da Milchsäure das Ausflocken des Milch-Proteins Casein und somit eine Verdickung der Milch bewirkt, kommen Milchsäurebakterien bei der Herstellung von Joghurt, Buttermilch, Käse und anderen Milchprodukten zum Einsatz. Sie finden des Weiteren bei der Weinerzeugung, bei der Herstellung von Sauerteig, Sauerkraut und Kakao Verwendung. Auch für probiotische Produkte, die unsere Darmflora unterstützen sollen, werden Milchsäurebakterien eingesetzt.

In der Lebensmittelproduktion kommt häufig eine Kombination mehrerer verschiedener Mikroorganismen zum Einsatz. So wird beispielsweise Essig durch die Vergärung von Wein durch Hefe und Essigsäurebakterien gewonnen.

Roquefort bei der Reifung.
Foto: AP/Bob Edme

Der Mensch und seine Mikroorganismen

Mikroorganismen spielen nicht nur bei der Herstellung von Lebensmitteln eine entscheidende Rolle, sie sind auch für unsere Verdauung wichtig. Im Prinzip haben die Kleinstlebewesen im menschlichen Darm die gleiche Funktion wie bei der Lebensmittelproduktion: Auch hier bauen sie Stoffe ab und verhindern die Besiedelung mit Pathogenen.

Im und auf dem Menschen tummeln sich durchschnittlich geschätzte 39 Billionen Mikroorganismen, der Großteil davon befindet sich im Darm³. Früher war man der Meinung, dass der Mensch aus rund zehnmal mehr Mikroben-Zellen als menschlichen Zellen besteht, und das Gesamtgewicht der Mikroorganismen eines Menschen wurde auf 0,5 bis 1 Kilogramm geschätzt⁴. Diese Ansicht wurde mittlerweile revidiert, und heute geht man davon aus, dass der menschliche Körper in etwa zu gleichen Anteilen aus menschlichen Zellen und Mikroorganismen besteht. Nach neuen Berechnungen trägt jeder Mensch demnach in etwa 200 Gramm Mikroorganismen mit sich herum³.

Mikroorganismen kommen auf verschiedensten Wegen, wie beispielsweise Hautkontakt oder Einatmen, in unseren Körper. Aber auch unsere Ernährung ist ein wichtiger Faktor, der die Zusammensetzung unserer Mikroorganismen ein Leben lang formt⁵. Welchen Mustern das Wachstum bestimmter Mikroben-Populationen im menschlichen Darm folgt und wovon dieses beeinflusst wird, ist heute Gegenstand intensiver Forschung. Da ein Zusammenhang zwischen bestimmten Krankheiten und der Zusammensetzungen von Mikroorganismen im Körper beobachtet werden konnte, ist die Untersuchung der Mikroorganismen des Menschen ein vielversprechendes Forschungsfeld. In welchem Ausmaß die aktiven und inaktiven Mikroorganismen, die wir über die Nahrung zu uns nehmen, auch Einfluss auf Krankheit und Gesundheit haben, ist noch unklar. Auch die Frage, ob man gezielt durch Nahrung bestimmten Krankheiten vorbeugen oder diese gar heilen kann, bleibt momentan noch offen. (Alexandra Schebesta, 2.11.2018)

Alexandra Schebesta ist promovierte Genetikerin und seit mehreren Jahren in der Wissenschaftskommunikation tätig. Als Projektleiterin bei Open Science betreut sie Projekte mit unterschiedlichsten Zielgruppen. Sie ist eine der Bloggerinnen, die als "bESSERwisser" die Beiträge für den Hungry-for-Science-Blog von Open Science verfassen.

Mehr Beiträge finden Sie auf hungryforscience.at.

Fußnoten

¹ Hans-Peter Stika: Early Iron Age and Late Mediaeval malt finds from Germany—attempts at reconstruction of early Celtic brewing and the taste of Celtic beer (2011). Archaeol Anthropol Sci (2011) 3:41–48. DOI 10.1007/s12520-010-0049-5

² Caplice E. und Fitzgeralda GF: Food fermentations: role of microorganisms in food production and Preservation (1999). International Journal of Food Microbiology 50 (1999) 131–149.

³ Sender R. et al.: Revised estimates for the number of human and bacteria cells in the body (2016). PLoS Biol. Aug 19;1 4(8)

⁴ Luckey, TD: Introduction to intestinal microecology (1972). Am. J. Clin. Nutr. 25, 1292-1294

⁵ Thursby E. und Juge N.: Introduction to the human gut microbiota (2017). Biochemical Journal (2017) 474 1823–1836. DOI: 10.1042/BCJ20160510