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Diego Simeone musste in Dortmunds Signal-Iduna-Park Ungewohntes mitansehen.

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Atletico-Kapitän Godin (links): "Wenn die Dinge nicht zu deinen Gunsten laufen, musst du die Zähne zusammenbeißen und die Niederlage akzeptieren."

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Dortmund – "Effektiv" und "überlegen". Diese Worte nahm Diego Simeone am späten Mittwochabend in den Mund. Allerdings richtete der Trainer von Atletico Madrid diese wohlklingenden Adjektive nicht an seine Mannschaft, sondern an den Gegner. Borussia Dortmund nämlich hatte die Spanier in der Gruppenphase der Champions League mit 4:0 besiegt – ein Meilenstein, denn noch nie haben die Rojiblancos unter der Führung des Argentiniers so hoch verloren. Und diese erstreckt sich immerhin bereits über 391 Pflichtspiele.

"Wir haben nicht schlecht gespielt", sagte der 48-Jährige. Aber der BVB von Lucien Favre sei eben noch besser gewesen. "Mann muss ihnen gratulieren", so Simeone. "Jedes Mal, wenn sie in unserem Strafraum aufgetaucht sind, haben sie ein Goal gemacht." Genau so etwas weiß Atletico im Normalfall zu verhindern. Man kennt Simeone-Teams als disziplinierte Kampfmaschinen, deren Defensive kaum zu überwinden ist. In der Meisterschaft hält Atletico nach neun Runden bei gerade einmal fünf Gegentoren, selbstredend ist das der beste Wert der gesamten Primera Divison. In 25 Gruppenspielen, die Atletico bisher in der Champions League absolviert hat, stand 16-mal am Ende die Null – eine geradezu sensationelle Bilanz.

Schlüsseltugenden vermisst

Doch diesmal zeigte die Elf ungewohnte mentale Schwächen. Man sei auseinandergefallen, als zu Beginn der zweiten Halbzeit der Ausgleich nicht gelungen sei, konstatierte Kapitän Diego Godin. Saul Niguez und der eingewechselte Angel Correa trafen in dieser besten Phase Atleticos nur das Aluminium. Pech aber sei kein Faktor, der bei einer so schweren Niederlage ins Treffen geführt werden könne, meinte der grimmige Weltklasseverteidiger aus Uruguay. "Wir müssen uns als Kollektiv verbessern, alle müssen mehr geben", forderte Godin und weiß sich hier in Übereinstimmung mit seinem Coach. "Hart arbeiten und versuchen, besser zu werden", waren die Schlüsse, die Simeone aus dem unangenehmen Abend in Deutschland ableitete, "so, wie wir es immer versucht haben zu tun."

Seit Simeone, der wie kaum ein anderer dazu in der Lage ist, seinen Spielern die eigene Leidenschaft einzuimpfen, 2011 das Ruder bei Atletico übernommen hat, führte er die Madrilenen in bisher nie gekannte Höhen. Eine Meisterschaft und ein Cupsieg stehen national zu Buche, dazu kommen zwei Siege in der Europa League, ebenso viele europäische Supercups sowie zwei Finalteilnahmen in der Champions League. Atletico ist eine gewachsene Einheit. Nach wie vor bilden vier Mann das Rückgrat der Mannschaft, die bereits beim EL-Triumph 2012 mit dabei waren. Neben Anführer Godin sind das Juanfran, Filipe Luis und Koke. Ein fünfter, Gabi, verließ die Truppe nach zehnjähriger Zugehörigkeit erst kürzlich. Kaum überraschend handelt es sich dabei mit Ausnahme von Taktgeber Koke um kampfkräftige Defensivleute mit vorbildlichem Arbeitsethos.

Und die Aussichten sind für die Rot-Weißen auch jetzt nach wie vor gut. In Gruppe A ist Platz zwei trotz des Fiaskos vom Mittwoch gut abgesichert. Fünf Punkte liegt man vor Club Brügge und der AS Monaco, der Aufstieg in die K.-o.-Phase der letzten 16 dürfte im Gegensatz zur letzten Saison also gelingen.

Dortmund wächst

Die Stimmungslage bei Dortmund changierte nach der vielleicht besten Leistung in dieser Spielzeit zwischen Freude und Stolz. "Wir haben eine große Mannschaft geschlagen. Das ist schon etwas. Alle haben sehr gut gespielt", sagte Trainer Favre bei Sky. Der Schweizer, der den achtfachen deutschen Meister im Sommer übernommen hatte, erinnerte aber auch daran, dass "wir auch Glück hatten, dass es zur Halbzeit noch 1:0 stand".

Verlief der Start in die Champions League mit einem schmeichelhaften 1:0 in Brügge noch durchaus holprig, kann sich die Zwischenbilanz nun mehr als sehen lassen: Neun Punkte und 8:0 Tore stehen zu Buche. Defensiv kompakt, offensiv variabel – die Handschrift Favres wird immer deutlicher erkennbar. "Wir verstehen mehr und mehr, was der Trainer von uns verlangt", sagte Marco Reus. Dortmund zeigte taktische Reife, die Gelb-Schwarzen standen kompakt und lauerten in der Offensive geduldig auf ihre Chance. Mit einem weiteren Erfolg im Rückspiel gegen Atletico am 6. November hätte der BVB die K.-o.-Phase vorzeitig erreicht. (Michael Robausch, 25.10. 2018)