Anwalt Manfred Ainedter (rechts) erschien zum Prozess in Wien ohne seinen Mandanten Karl Kahr.

Foto: Jutta Berger

Wien – Am Landesgericht für Strafsachen in Wien begann am Donnerstag der vom ehemaligen Skitrainer-Star Karl "Charly" Kahr (86) angestrengte medienrechtliche Prozess gegen die "Süddeutsche Zeitung" ("SZ"). Nach Befragung dreier "SZ"-Journalisten wurde eine Fortsetzung des Verfahrens mit deutlich größerem Zeugenaufkommen für den 24. Jänner 2019 anberaumt.

Die "SZ" hatte Anfang Februar dieses Jahres eine ehemalige Skirennläuferin zitiert, die berichtet hatte, Ende der 60er-Jahre in ihrer Zeit beim Österreichischen Skiverband (ÖSV) als Minderjährige vom damaligen Damencheftrainer Kahr vergewaltigt worden zu sein. Eine weitere Rennläuferin gab an, sie habe im Winter 1976 einer Vergewaltigung durch Kahr gerade noch entkommen können. In beiden Fällen berief sich die Zeitung auf eidesstattliche Erklärungen. Kahr, von der "SZ" schriftlich mit den Vorwürfen konfrontiert, wies diese via Anwalt Manfred Ainedter entschieden zurück. Die "SZ" wurde wegen übler Nachrede, Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und Verletzung des Identitätsschutzes geklagt.

Kläger abwesend

Zur ersten Tagsatzung unter Vorsitz von Richter Hartwig Handsur erschien Kahr nicht. Einvernommen wurden drei der vier an der Recherche und Abfassung des Artikels beteiligten Journalisten der "SZ".

Ainedter argumentierte, dass Kahr seit mehr als 30 Jahren kein Traineramt mehr ausübe, die Vorfälle 50 Jahre zurücklägen und sein Mandant daher nicht mehr als eine Person des öffentlichen Interesses anzusehen sei. "Irgendwann hat jeder ein Recht auf seine Privatsphäre und Persönlichkeitsschutz."

Die Wiener Medienrechtsexpertin Maria Windhager, die die "Süddeutsche Zeitung" vertritt, hielt dem entgegen, dass es sich bei dem Artikel um eine völlig zulässige Verdachtsberichterstattung gehandelt habe und kündigte zudem den Wahrheitsbeweis an. Die von der "SZ" zitierten Frauen seien auch zur Aussage vor Gericht bereit.

Im Zuge der #MeToo-Debatte

Windhager, die auch den STANDARD in medienrechtlichen Angelegenheiten berät, verwies nachdrücklich auf den Zusammenhang mit der aktuellen #MeToo-Debatte. Sexuelle Gewalt dürfe nicht totgeschwiegen werden. Die Berichterstattung sei im öffentlichen Interesse, um in Zukunft darauf achten zu können, wie derartige Vorfälle zu verhindern seien. Täter könnten sich gerade in Missbrauchsfällen nicht auf den höchstpersönlichen Lebensbereich berufen. Kahr sei zu einer Person der Zeitgeschichte geworden und werde noch immer in der Öffentlichkeit gefeiert.

Wie ein deutscher Bundestrainer

Einer der "SZ"-Redakteure verglich die Bekanntheit von "Downhill-Charly" mit der eines ehemaligen Fußballbundestrainers in Deutschland. Er und seine Kollegen zeichneten den Weg ihrer Recherchen nach, Anwalt Ainedter versuchte, ihre Glaubwürdigkeit zu erschüttern und die Güte der Recherche in Zweifel zu ziehen.

Dass die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Leoben gegen Kahr just am Mittwoch wegen Verjährung eingestellt worden waren, focht Windhager nicht an. Die Einstellung wegen Verjährung sage nichts darüber aus, ob die Vorwürfe substantiiert würden.

"Besonders herzig"

Dass die Berichterstattung berechtigt sei, beweise die ebenfalls am Mittwoch bekanntgewordene Entlassung eines hochrangigen Betreuers durch den ÖSV. Sie folgte wenige Tage, nachdem der "Spiegel" einerseits eine Frau zitierte hatte, die Österreichs verstorbenen Jahrhundertsportler Toni Sailer einer Vergewaltigung im Jahr 1975 zeiht, und andererseits von einer Massenvergewaltigung berichtet hatte, in die ein zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch im ÖSV tätiger Trainer "verwickelt" gewesen sei. Den Bericht von der Massenvergewaltigung nannte Anwalt Ainedter am Donnerstag übrigens "besonders herzig, weil es sie nie gegeben hat". (Sigi Lützow, 25.10.2018)