Längere Aufenthalte im Weltraum lassen bestimmte Gehirnregionen schrumpfen, während sich Hohlräume ausdehnen.

Illustr.: New England Journal of Medicine/Peter zu Eulenburg et al.

München – Dass der menschliche Körper bei längeren Aufenthalten im Weltraum teilweise massive Veränderungen erfährt, haben mittlerweile zahlreiche Studien belegt. Zuletzt hat beispielsweise eine Zwillingsstudie, bei der US-Astronaut Scott Kelly ein Jahr im All verbrachte, während sein Bruder Mark auf der Erde blieb, ergeben, dass in einem beträchtlichen Teil des Erbgutes auch Monate nach dem Aufenthalt im Orbit Veränderung der Genaktivität festzustellen sind. Nun zeigt sich, dass sich auch das Gehirn von Raumfahrern verändert.

Weniger graue Substanz

Es gibt nach Angaben der Wissenschafter von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München Hinweise darauf, dass die Auswirkungen auf das Gehirn größer sind, je länger die Menschen sich im Weltall aufhalten. Die Forscher beobachteten bei den Raumfahrern auch noch rund sieben Monate nach deren Rückkehr zur Erde ein geringeres Volumen der sogenannten Grauen Substanz. Das ist der Teil des Großhirns, der hauptsächlich aus Nervenzellkörpern bestehen, während die Weiße Substanz vor allem Leitungsbahnen bzw. Nervenfasern enthält. Dieser Effekt bildete sich im Verlauf des halben Jahres nach der Landung etwas zurück, aber nicht vollständig.

Scans zeigten außerdem, dass sich der mit Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit gefüllte Raum im Großhirn dagegen ausgeweitet hatte. Und auch an der Weißen Substanz wurden Veränderungen festgestellt: Unmittelbar nach der Landung blieb sie zwar zunächst scheinbar unverändert. Nach einem halben Jahr allerdings war sie im Vergleich zu den früheren Untersuchungen geschrumpft.

Auswirkungen auf das Denkvermögen?

Ob die Veränderungen relevant für das Denkvermögen der Raumfahrer sind, ist nach Forscherangaben noch unklar. Belegt sind den Angaben zufolge bisher nur Veränderungen des Sehvermögens, die – so vermuten die Forscher – durch den Druck der ausgedehnten Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit auf die Netzhaut und den Sehnerv entstanden sein könnten. Ursache der Veränderungen sind möglicherweise minimale Druckunterschiede der verschiedenen Wassersäulen im Körper durch die Schwerelosigkeit.

Der Münchner Mediziner Peter zu Eulenburg hatte gemeinsam mit Forschern aus Belgien und Russland zwischen 2014 und 2018 zehn russische Raumfahrer untersucht, die im Schnitt 189 Tage auf der Internationalen Raumstation ISS verbracht hatten.

Vor ihrem Abflug und nach ihrer Rückkehr zur Erde wurden Scans durchgeführt; bei sieben der Kosmonauten rund sieben Monate später noch einmal. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Wissenschafter im "New England Journal of Medicine".

Wichtige Langzeitstudien

"Wir sind die ersten, die über einen längeren Zeitraum nach der Landung Veränderungen untersuchen konnten", sagte zu Eulenburg. Um die Risiken bei Langzeitmissionen zu minimieren, seien zusätzliche und längerfristige Studien unbedingt notwendig.

Dass längere Aufenthalte im Weltall die Gehirnstruktur von Raumfahrern verändern können, hatte im vergangenen Jahr schon eine von der US-Weltraumagentur NASA finanzierte Studie gezeigt, an der das Universitätsklinikum Frankfurt beteiligt war.

Die NASA hatte beobachtet, dass Astronauten, die von der ISS zurückkehrten, häufig von Sehstörungen und Kopfschmerzen berichteten. Die Wissenschafter entdeckten eine Verengung der Zentralfurche im Hirn der Astronauten, außerdem hatte sich bei allen das Gehirn nach oben verschoben. (red, APA, 26.10.2018)