Persönlich fühle sie sich gut, als Amerikanerin mache sie sich Sorgen, fasste Hillary Clinton ihre Gemütslage zusammen, nachdem Meldungen über vereitelte Briefbombenanschläge die USA in helle Aufregung versetzt hatten. Dies seien verstörende Zeiten, Zeiten tiefer Spaltung, sagte die ehemalige Außenministerin, "und wir müssen alles in unseren Kräften Stehende tun, um das Land wieder zusammenzubringen".

Clinton war nach Florida geflogen, um die Spendentrommel für eine Parteifreundin zu rühren, die am 6. November in den Kongress gewählt werden will. Ihr Mann Bill hingegen war zu Hause geblieben, in Chappaqua, einem Vorort New Yorks. Er hätte den Brief mit der Rohrbombe womöglich geöffnet, hätte ihn der Secret Service, der einen Ex-Präsidenten auch nach seinem Abschied vom Amt zu schützen hat, nicht rechtzeitig abgefangen. Mit Stand vom Donnerstag waren es bereits acht verdächtige Kuverts, die entdeckt wurden, bevor die Sprengsätze, die sie enthielten, detonieren konnten. Nach Angaben der Behörden enthielt jedes einzelne Batterien, einen Zünder und weißes Pulver, das als Sprengstoff taugte. Zumindest der erste Umschlag, von dem Bilder veröffentlicht wurden, war frankiert mit Briefmarken mit Sternenbanner-Motiv.

Führende Köpfe der Demokratischen Partei als Ziel

Es gebe Zweifel, ob die Rohrbomben so konstruiert waren, dass sie tatsächlich hochgegangen wären, berichten amerikanische Medien. Noch weiß man nicht, wer die Briefe aufgegeben hat und wo. Theoretisch ist auch die Frage nach dem Warum noch unbeantwortet, wobei keiner bezweifelt, dass das Motiv ein politisches war. Bei den Adressaten handelte es sich entweder um führende Köpfe der Demokratischen Partei oder aber um prominente Zeitgenossen, die für linksliberale Ansichten stehen und Donald Trump kritisiert haben.

Begonnen hatte es am Montag mit einem selbstgebastelten Sprengsatz in einem Päckchen, das an George Soros geschickt wurde, den New Yorker Milliardär, der zu den Großspendern der Demokraten gehört. Rechte Blogger kommentieren Soros‘ politisches Wirken seit Längerem mit hässlichen, bisweilen offen antisemitischen Zeilen, für manche Anhänger Trumps ist er die Hassfigur schlechthin.

In der Nacht zum Mittwoch dann wurde eine verdächtige Sendung an die Clintons abgefangen, kurz darauf ein gepolstertes Kuvert, das die Villa von Barack und Michelle Obama im Washingtoner Stadtteil Kalorama erreichen sollte. Ein weiteres ging, von einem Kurier abgegeben, bei der CNN-Redaktion in Manhattan ein. Adressiert war es an John Brennan, einst CIA-Chef, heute Kommentator des Weltgeschehens. Brennan steht zwar nicht bei CNN, sondern beim Nachrichtensender MSNBC unter Vertrag. Doch zum einen hat Trump ihn als Versager beschimpft, nachdem Brennan den rüden Ton des Präsidenten angeprangert hatte, zum anderen ist CNN in Trumps Darstellung eine Hauptquelle für "Fake News".

Suche nach Täter

Ein Paket mit Sprengstoff wurde auch in der Poststelle des Kongresses entdeckt, bestimmt für die kalifornische Abgeordnete Maxine Waters. Der frühere Justizminister Eric Holder sollte ebenfalls eine Bombe erhalten. Als Absender war das Büro von Debbie Wasserman-Schultz angegeben, einer Politikerin aus Florida, die bis Sommer 2016 Vorsitzende des Demokratischen Nationalkomitees war. Schließlich traf es am Donnerstag den "Tribeca Grill", ein Restaurant im Süden Manhattans, dessen Besitzer der Schauspieler und Regisseur Robert de Niro ist – auch er ein scharfer Kritiker Trumps.

Noch suchen die Behörden nach dem Täter oder der Tätergruppe, falls es denn eine war. Noch geben sie keine Antwort auf die Frage nach dem Motiv, eine Frage, die Charles Schumer und Nancy Pelosi längst für geklärt halten. Trump habe die Nation mit Worten wie Taten gespalten, schreiben die beiden führenden Demokraten des Parlaments, in einer gemeinsamen Erklärung und führen Beispiele an. Erst neulich habe Trump einen Republikaner in Montana ausdrücklich gelobt, weil der einen Journalisten niederschlug, dessen Fragen ihm auf die Nerven gingen. Der Fall liegt bereits über ein Jahr zurück, im Kongresswahlkampf aber hat der Präsident ihn noch einmal aufgewärmt – offenbar, um die Stimmung an der Parteibasis anzuheizen.

Trump rief zu "Frieden und Harmonie" auf

Noch am Mittwoch, noch im Weißen Haus, hatte Trump die Anschlagsversuche verurteilt. Er sei wütend, traurig und unglücklich, sagte er. Man müsse eine klare, unmissverständliche Botschaft senden, dass politische Gewalt in den Vereinigten Staaten von Amerika keinen Platz habe. Am Abend, auf einer Kundgebung in Wisconsin, rief er dazu auf, "in Frieden und Harmonie" zu leben. Die Medien, schob er hinterher, nun schon wieder deutlich angriffslustiger, hätten die Verantwortung, einen zivilen Ton anzuschlagen und die endlose Feindschaft, verbunden mit ständig negativen, oft falschen, Geschichten zu stoppen. Hohle Worte, erwiderten Schumer und Pelosi, solange Trump seine unverhohlenen Aufrufe zur Gewalt nicht ausdrücklich zurücknehme. Im Weißen Haus, meldete sich CNN-Chef Jeff Zucker zu Wort, herrsche ein kompletter Mangel an Verständnis dafür, wie schädlich die andauernden Attacken auf die Medien seien. "Der Präsident und insbesondere die Sprecherin des Weißen Hauses sollten verstehen, dass ihre Worte zählen." (Frank Hermann, 25.10.2018)